Klagelied der Sterne: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 2
wütend ließ sie die Arme sinken.
»Was machen Sie hier?« Ich klinge dümmlich, dachte sie zornig. Eine alberne Zwölfjährige - das macht er aus mir! Sich der Tatsache bewusst, dass sie weder sich selbst noch ihre Spezies ins rechte Licht zu rücken vermochte, kämpfte sie darum, die Selbstbeherrschung zurückzuerlangen, die der unerwartet aufgetauchte Außerirdische ihr geraubt hatte.
»Ich sehe mich nur um, wie ihr Menschen sagt.«
Just in dem Moment, da Wixom ihr inneres Gleichgewicht wenigstens teilweise zurückerlangt hatte, lächelte der Pitar sie an, und erneut war es um ihre Fassung geschehen.
»Wie Sie wissen, fasziniert uns der Gedanke, die Grenzen unserer schönen Heimatwelten zu verlassen und uns woanders anzusiedeln. Dieses Konzept ist uns völlig fremd. Aber wir wollen, dass Sie hier auf Treetrunk Erfolg haben. Und um zu lernen, wie wir euch Menschen besser helfen können, kommen wir her und beobachten euch.« Seine Miene nahm wieder einen nichtssagenden Ausdruck an. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Sie beobachte?«
»Nur zu«, erwiderte sie gleichgültig. In Wahrheit wünschte sie sich sehnlichst, dass er sie eine lange, lange Zeit beobachten würde. Oh, wie sehr sie sich das wünschte! Sie hatte Geschichten gehört - alle hatten Geschichten gehört - über die … Beziehung, die sich zwischen einzelnen Menschen und Pitar entwickeln konnte, wenn die Begleitumstände stimmten. Manche behaupteten, diese Geschichten hätten in Wahrheit weder Hand noch Fuß - seien einfach nur Gerüchte. Gerüchte, die durch die perverse Vorstellungskraft der Menschen genährt und verbreitet würden. Doch wie der Pitar so vor ihr stand, groß und aufrecht, in der Kaltwetterkleidung, unter der sich seine wohlproportionierten Muskeln abzeichneten -, konnte Wixom sich gut vorstellen, dass…
Hör auf damit!, schalt sie sich. Er ist vielleicht männlich, aber auch ein Außerirdischer. Ignoriere ihn nicht, aber tausche auch nicht deine Würde und Selbstachtung gegen eine unhaltbare, närrische Fantasie ein! Beantworte seine Fragen und verhalte dich ansonsten passiv!
»Sie machen was genau?«, erkundigte der Pitar sich höflich, und die leicht verdrehte Wortstellung seiner Frage erinnerte sie daran, wer und was er war. Sie konzentrierte sich wieder auf ihren Bebauungssimulator.
»Ich arbeite für die hiesige Planungsbehörde. Es ist mein Job, die besten Standorte für die Einrichtungen einer neuen Siedlung auszusuchen, und ich muss für alles Pläne entwerfen und Vorschläge einreichen. Das ist eine Aufgabe, die sicher eine gewisse Gründlichkeit erfordert, wie Sie schon beobachtet haben.«
»Ich bin sehr beeindruckt«, erklärte der Pitar, und sogleich beschleunigte sich Wixoms Atmung, was ihr völlig unerklärlich war. »Ich bin nur ein einfacher Beobachter und könnte niemals die komplexen interdisziplinären Instrumente bedienen, die für ein solches Unterfangen vonnöten sind.«
»So schwer ist das nicht«, entgegnete sie. »Wenn man einen brandneuen Bebauungssimulator hat, ist das schon fast die halbe Miete. Hier, ich zeig’s Ihnen.« Sie trat beiseite und gestattete ihm, direkt in das Okular des Bildsuchers zu blicken, der bestimmte, welcher Geländeausschnitt im Head-up-Display erschien.
Der Pitar stellte Wixom einige Fragen (wobei sich zeigte, dass er noch nicht perfekt Terranglo sprach), und sie beantwortete sie ihm. Schließlich trat er zurück. »Das scheint ein sehr effizientes Gerät zu sein. Euer technischer Entwicklungsstand ist sehr gut.«
Wixom wusste nicht genau, ob das Brennen ihrer Wangen auf die kalte Bergluft zurückzuführen war oder auf die Tatsache, dass sie errötete. »Ich baue diese Geräte nicht; man bildet mich lediglich darin aus, sie zu bedienen. Nach allem, was ich gelesen und im 3-D gesehen habe, ist die pitarische Technik ebenfalls fortschrittlich.«
»Wir sind ganz zufrieden. Da wir uns ausschließlich auf die Entwicklung der Zwillingswelten konzentriert haben, mussten wir uns zwangsläufig auf unsere Energieressourcen konzentrieren, ein Zwang, der zugleich recht hilfreich war. Unsere beiden Asteroidengürtel bergen mehr als genug Ressourcen, und wir achten darauf, die nicht erneuerbaren Rohstoffe sparsam abzubauen. In letzter Zeit stagniert unsere Zivilisation ein wenig. Aber der Kontakt zu Ihrem Volk hat uns Wege und Mittel eröffnet, wie wir unsere Weiterentwicklung wieder in Gang setzen können. Wir erkennen nun Lösungen für Probleme, die wir bis jetzt für unlösbar
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