Klagelied der Sterne: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 2
konnten, beispielsweise Schulter an Schulter mit einem Thranx zu beten, verlachten und verspotteten die leidenschaftliche Verkünderin dieses neuen Glaubens. Gelegentlich blieben einige wenige stehen und lauschten den Ereiferungen dieser Person, die allem Fanatismus zum Trotze vernünftig zu sein schien, und empfanden das Gehörte als durchaus unterhaltsam, wenn nicht sogar überzeugend.
Den Rasterplänen der Städteplaner folgend, expandierte die Kolonie. Aus Außenposten wurden Wegpunkte; aus Wegpunkten wurden Stationen; Stationen wurden zum Zentrum kleiner Gemeinschaften. Der Import ging zu Gunsten der vor Ort produzierten Güter und angebotenen Dienstleistungen zurück. Neue Industriezweige fassten Fuß, angefangen bei Kleingewerbe- und Handwerksbetrieben, die sich die reichen Planetenbestände an Hartholz zu Nutze machten, bis hin zu den beiden Minen, in denen nützliche Metalle gefördert wurden.
Die Kolonie war auf dem besten Weg, sich von einer abhängigen zu einer autonomen Welt zu entwickeln, mit einer eigenen, unabhängigen Weltregierung, als eines Tages die Glistener in den Orbit über Weald eintrat. Das kleine, kompakte Raumschiff war in einer Forschungsmission unterwegs und legte einen Zwischenstopp ein, um den Bewohnern der neuen Kolonie seine Aufwartung zu machen, bevor es seine Reise durch den oberen Orion-Arm in Richtung des Galaktischen Zentrums wieder aufnehmen wollte.
Man empfing die Besucher des Schiffs den Formen entsprechend und höflich, ja sogar warmherzig. Obgleich die Kolonisten Fremden gegenüber grundsätzlich misstrauisch waren, konnten sie wohl kaum die Vertreter einer Spezies abweisen, die mit der Menschheit offiziell herzliche Beziehungen unterhielt. Man gestattete den Thranx, mehrere Gemeinden zu besuchen. Jede Gruppe sollte von erfahrenen Mitgliedern der Planetenregierung geführt werden, die dafür sorgten, dass die Besucher und deren Reiseroute überall rechtzeitig angekündigt wurden. Der Großteil der Kolonisten hatte noch nie einen Thranx gesehen, und es wäre ganz und gar nicht gut, wenn Kinder oder empfindliche Siedler beim Anblick der Besucher panisch die Flucht ergriffen hätten. Das wäre unhöflich.
Doch gab es kaum Grund zur Sorge. Die Thranx wollten allenfalls kurz bleiben. Eine Spezies, die eine Luftfeuchte von 100% und entsprechend hohe Temperaturen bevorzugte, fühlte sich ganz und gar nicht wohl in der harschen, winterlichen Atmosphäre Treetrunks. Trotz der unbehaglichen Bedingungen trieb die angeborene Neugier der Thranx sie dazu, die Welt zu besuchen, wenn auch nur kurz.
Pflichtbewusst bewunderten sie die Emsigkeit der menschlichen Siedler und vollzogen anerkennende Gesten, als sie die Kunstfertigkeit sahen, mit der die Kolonie errichtet und weiterentwickelt wurde. Ihre Gastgeber dankten ihnen für das Lob, während sie insgeheim wünschten, die wissbegierigen, geschwätzigen und angenehm riechenden Käfer würden von dannen fliegen, damit die Siedler sich wieder dem Ausbau der Kolonie widmen könnten.
Eine ältere Thranx-Frau schien, trotz des für sie rauen Klimas, mit ihrer Abreise zu zögern - ganz im Gegensatz zu ihren Begleitern. Für jede Frage, die ihre Gastgeber ihr beantworteten, stellte sie zwei oder drei neue. Sie interessierte sich für alles und gab sich mit nichts zufrieden. Während ihre Gastgeber verzweifelt versuchten, sie zufrieden zu stellen, setzte sie ihre Besichtigung fort und fragte sie unentwegt über die belanglosesten Dinge aus.
»Die hiesige Population wird schon bald auf sechshunderttausend Menschen anwachsen«, informierte der müde Führer die Thranx-Frau. »Davon leben etwas mehr als zweihunderttausend in und um Weald, und weitere fünfundneunzigtausend in Chagos Downs. Der Rest lebt in kleinen Gemeinden oder Lagern längs des Äquators.«
»Sie dehnen die Siedlungen gar nicht nach Norden und Süden aus?« Eingehüllt in Kaltwetterkleidung, die in ihren isolierenden Eigenschaften alles übertraf, was ein Mensch (außer an den Polen) tragen würde, war das Gesicht der Thranx kaum zu erkennen. Die beiden Antennen lugten unter dem Rand ihrer Kopfbedeckung hervor.
Der Führer seufzte genervt. »Natürlich werden wir die Siedlungen auch in diese Richtungen ausdehnen, aber momentan besteht noch kein Grund dazu. Die angenehmste Klimazone wird zuerst besiedelt. Wenn dann eines Tages unsere Siedlungen auf der anderen Seite des Planeten zusammentreffen, dringen wir in die kälteren Waldgebiete vor.«
Die insektenähnliche
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