Klagelied der Sterne: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 2
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»Wenn Sie schon die Erforschung unserer Körper ansprechen«, murmelte sie mit einer Stimme, die so unverändert wie verführerisch klang, »müssen Sie wissen, dass diesbezüglich schon Theorien aufgestellt wurden: Rein physisch gesehen ist es möglich, dass ein Pitar mit einem Menschen eine sexuelle Beziehung hat. Alle bisherigen anatomischen Untersuchungen der relevanten Körperteile scheinen diese Theorie zu bestätigen. Aufgrund der genetischen Unterschiede können Menschen und Pitar bei einem solchen sexuellen Kontakt natürlich keine Nachkömmlinge zeugen. Bislang sind darüber allerdings noch keine bestätigten Ergebnisse veröffentlicht worden, denn es stehen einfach zu wenige experimentell gewonnene Daten zur Verfügung.«
»Mir war nicht bewusst, dass man überhaupt versucht hat, dieser Frage auf den Grund zu gehen.« Er schluckte, was ihm recht schwer fiel. »Derartige Dinge sind unseren Wissenschaftlern vorbehalten und fallen nicht in das Aufgabengebiet eines Diplomaten.« Er schaute den Strand entlang und sah, dass die anderen drei Pitar allein am Ufer entlang spazierten, sich von ihnen entfernten. Ymir und die beiden Verwaltungsbeamten tollten noch immer durch das Wasser, inzwischen weit entfernt.
Die Pitar-Frau lag nun sehr dicht bei ihm, und die Sonne und der Sand waren sehr warm. »Wir haben in solchen Angelegenheiten mehr Spielraum«, hauchte sie ihm zu und nahm die Hand von seinem Arm. »Als hingebungsvoller Diener des Dominions bin ich stets bereit, etwas zu dem Fundus an wissenschaftlichem und kulturellem Wissen beizutragen, den mein Volk über Ihre Spezies anlegt. Wir brauchen für Feldstudien nicht immer eine offizielle Genehmigung.«
Es gab noch viele Fragen, die er ihr stellen wollte, viele Erklärungen, die er suchte, doch als sich ihre Hand bewegte, vergaß er alles.
7
Heather Wixom mühte sich keuchend, aber triumphierend auf den Höhenrücken. Sie hätte sich auch von einem Lifter hier oben absetzen lassen können, doch dann wäre ihr das Erfolgsgefühl verwehrt geblieben, das ihr der zeitaufwändige Aufstieg bescherte. Technisch gesehen war der Aufstieg leicht gewesen: dichter, aber durchaus wegsamer Wald; Pausen, während deren sie wilde Tiere gesehen hatte, die gerade lange genug verharrten, um den fremdartigen menschlichen Eindringling kurz anzustarren, und mäßige Steigungen auf einem Hang, der ihren in schweren Stiefeln steckenden Füßen milde gestimmt war.
Aus einem der größeren Bäume direkt unter ihr drang das Klagelied eines Gnarters an ihr Ohr. Der Baum selbst erinnerte sie an eine Fichte mit einer Erkrankung der Rinde. Viele der immergrünen Bäume, denen Treetrunk seinen allgemein geläufigen Namen verdankte, neigten dazu, beim geringsten Wetterumschwung große Mengen an Rinde zu verlieren. Was den Gnarter anbelangte, so war er ein gedrungenes, behäbiges Tier mit acht Beinen und braun-blauem Fell. Er lebte in Baumhöhlen, aus denen er die Welt mit großen, traurigen Augen betrachtete, die von sanduhrförmigen, blauen Pupillen geprägt waren. Manche Menschen fanden, ein Gnarter sehe aus wie eine Kreuzung aus einem Tintenfisch, einem Koala und einer Raupe. Als fruchtbarer Bewohner der nördlichen Wälder verirrte sich dieses Tier nur selten so weit nach Süden.
Er genießt wohl das ›warme‹ Wetter, beschloss Wixom, als sie sich den Verschlussriemen ihres Thermomantels enger um den Hals zurrte. Treetrunk hatte seinen neuen Bewohnern recht schnell offenbart, wie fruchtbar auch die kalten Landstriche im Norden und Süden waren. Die gemäßigte Zone am Äquator bot einer entsprechend hohen Zahl von Lebensformen ein Zuhause, von denen der Gnarter keineswegs die exotischste Art war.
Eine weitere Art war der Hout, ein pumagroßes Raubtier, das seine Beute mit stachelgleichen Zähnen aufspießte, die ihm waagerecht aus dem breiten Maul mit den abgeflachten Kiefern wuchsen. Allein hier auf dem niedrigen Berg hielt Wixom wachsam nach dem Hout und seinen weniger imponierenden Verwandten Ausschau. Treetrunk war weit davon entfernt, zivilisiert zu sein, und seine einheimischen Lebensformen waren alles andere als domestiziert. Das war eine der großen Freuden, die es mit sich brachte, eine neue Welt zu kolonisieren, wie Wixom wusste. Und überdies war es einer der Gründe, aus denen die rastlose, ledige Wixom ein komfortables und berechenbares Leben als aufstrebende Städteplanerin auf New Riviera gegen das unsichere Dasein einer Kolonistin getauscht hatte, die
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