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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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war tatsächlich geschehen. Des Morgens – das heißt also, am späten Nachmittag – war ein frischer König, gewaschen, sauber gekleidet und rasiert aus seinen Privatgemächern aufgetaucht, hatte sofort die Geschäfte in die Hand genommen und für den Abend ein Konzert des neuen Hofmusikers angesetzt. Glücklicherweise hatte man Escarlati schnell gefunden. – Er saß in einem Wirtshaus nahe der Kathedrale beim Briefeschreiben. Der Meister war zum Alcázar zurückgeeilt, hatte sich fein gemacht, in seinem Privatgemach noch etwas auf dem Spinett geübt, oder vielmehr ein paar ältere Sonaten ausgesucht und angespielt, und dann auf seinen Auftritt gewartet. Wieder war keine Zeit gewesen, die Prinzessin, die er während seines Spiels dann im Publikum entdeckte, zu begrüßen, doch jetzt, nach dem Konzert, als man zwanglos durcheinander wandelte und Getränke nahm, kam sie auf ihn zu.
    »Endlich«, sagte sie, reichte dem Meister beide Hände, und er verbeugte sich tief.
    »Ja. Endlich. Meine kleine … Verzeihung … Schülerin. Euer Hochzeitsgeschenk. Bitte sehr. Das bin ich.«
    Sie war gewachsen, hatte sich verändert. Ihr Körper hatte sich gerundet und sie zur Frau geformt, nicht in idealen Proportionen zwar, doch auch nicht hässlich. Ihre Augen strahlten, sie lächelte; er auch.
    »Ich freue mich auf die erste Stunde, Meister Geschenk. Morgen?«, fragte sie. »Habe sieben Jahre geübt, verzaubert wie die Fee im Märchen und …«
    »… nun darf ich Euch erlösen«, erwiderte er. »Ich, der Prinz aus fernen Landen, das heißt – in Wirklichkeit leider – der ältere Herr.«
    Die gute Nachricht, dachte er, ist: Nun ist sie eine Frau. Die schlechte: Sie ist verheiratet. Und auch noch mit dem Thronfolger Spaniens.
    Ein Monseñor drängte sich dazwischen. Hier auf dem Empfang wird nicht gut reden sein. Domingo hielt sich an seinem Glas fest und blickte Maria Barbara nach.
    Die Glocke ihres rosafarbenen Rockes saß auf dem Boden auf wie ein Vogelbauer, war im Gegenlicht, wenn die Sonne tief stand und in den Saal schien, beinahe transparent – dann erahnte man die inneren Streben, die Spinnenbeine aus Walfischgräten und dazwischen die Schenkel. So war es Mode, und alle Frauen am Hof kleideten sich dementsprechend, wirkten wie Schachfiguren, die ein Unsichtbarer auf dem Parkett umherschob. Auch die Prinzessin, wie die Übrigen, ging graziös, kaum hob oder senkte sie den Kopf, wenn sie ihre Position im Spiel versetzte. Die Taille eingeschnürt, so weit es eben ging. Darüber lange, rüschenverzierte Ärmel, die sich, abwärts trichterförmig erweitert, je einen Arm erhascht hatten mit je einer zarten, behandschuhten Hand daran; und vor der Brust der weite Ausschnitt, begrenzt von einer geraden Borte, die wie ein Geländer abstand. Hinter dieser Brüstung, im ersten Rang sozusagen und nur dort, zeigte sich nackte Haut, weiches Kissen für Kette, Edelsteine und Amulett, die Brüste zusammengepresst, der Hohlweg dazwischen, welcher geheime Zettel und Tüchlein aufnehmen konnte, die sich dann bis zum Bauch hinabschoben und auf der Haut angenehm knisterten, einsehbar – je tiefer der Knicks, desto weiter hinein.
    Das alles steht ihr nicht, dachte Escarlati. Sie ist ein Wildfang, muss sich rekeln, sich strecken, braucht Reitstiefel oder sollte barfuß gehen …
    Zugleich dachte er an die rote, sich drehende Silhouette der Tänzerin am vorigen Abend, halb im Dunkeln und kaum zu erkennen. Keine Schuhe, kein Korsett, keine Handschuhe …
    Das Gesicht der Prinzessin war runder geworden, die Pockennarben lagen nach wie vor darauf, an denselben Stellen, ein zuverlässiger Atlas für die Reise … wohin? Man sollte mit dem Finger einen Wegdarauf zeichnen nach … Ach, Alter!
    Ihr braunes Haar war auch noch da, gelockter und voller, dazu die kräftigen Lippen, schon damals etwas zu stark, nun sogar noch mitgewachsen, braunrot vorgewölbt und sinnlich, nicht aber schön.
    Schon nagt die Zeit auch an ihr, dachte er, hat die Mädchenseele in einen Frauenkörper fortgerissen. Was muss dann erst mit mir geschehen sein?
    Er blickte durch die Arkaden nach draußen in die Gärten, wo die Sonne sank, Wasser troff und Palmen im Wind schwänzelten, nahm noch einen Schluck aus dem kristallenen Glas, wandte sich hierhin, dorthin, von ihr weg, zu ihr hin.
    »Wie wundervoll«, sagte die Prinzessin, als sie sich endlich wieder dem Meister nähern konnte. Dieser jedoch verstand nicht sofort und blickte fragend. »Die Sonaten in Eurem Konzert«,

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