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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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fuhr sie fort. »Eine davon habe ich auch geübt, aber Ihr spielt sie ganz anders als sie dasteht – darf ich denn das auch? –, mit vielen Verzierungen, und diese immer verschieden und auch die Wiederholungen jeweils nicht gleich – ist sie umgearbeitet?«
    »O nein«, sagte er unwirsch, ohne dies zu wollen Er mochte es nicht, über sein Spiel befragt zu werden, von niemandem, das heißt, er hasste sich dann selbst ob seiner Verlegenheit und sah Papa über sich, ein mit Kinderschrift bemaltes Notenblatt in der Hand und ein überlegenes Lächeln im Gesicht. »Beziehungsweise ja, ich spiele immer ein wenig anders.«
    »Warum?«
    Aus Langeweile, wollte er sagen, zuckte aber nur mit den Achseln, dabei unbemerkt etwas Wein verschüttend, und lächelte.
    »Wie dem auch sei, so oder so, es sind Meisterwerke«, sagte sie entschlossen und legte ihm leicht einen Handschuh auf den Ärmel. Escarlati vermeinte, die Abstoßungskräfte zwischen ihnen, die ja alles in der menschlichen Gemeinschaft aufrechterhalten, brächen zusammen, und sie stürzten einander in die Arme; dabei hatte er das Tippen von Zeige- und Mittelfinger kaum gespürt. Ich funktioniere wieder einmal nicht, dachte er. Was tue ich hier? Empfänge, Gerede …
    »Nein«, sagte er.
    »Nein?«
    »Das sind sie nicht. Noch nicht.«
    Sie blickte ihn erstaunt an. So viel Bescheidenheit? Das war selbst bei ihm …
    »Gestern Nacht«, sagte er leise, »da habe ich etwas gehört, das …«
    Doch der Monseñor hatte sich wieder angeschlichen, des Meisters gesenkte Stimme als Selbstgespräch gedeutet und die Chance genutzt.
    »Wir sollten, gnädige Frau, noch über die Wohltätigkeitsveranstaltung sprechen«, sagte er zu Maria Barbara, dabei aus den Augenwinkeln Escarlati fixierend, der sich sogleich umdrehte und nach Oliven auf einem Tablett langte wie nach einem Haltegriff.
    »Wie freue ich mich auf die erste Stunde«, wiederholte die Prinzessin und nickte Escarlati zu, bevor sie sich dem Priester widmete, welcher schon auf sie einredete.
    »Und ich auch«, sagte Escarlati, wieder allein, und nahm sich noch ein paar Oliven.

10
    Die erste Stunde mit der Prinzessin tags darauf wurde verschoben, denn sie hatte zu tun, musste mit dem Monseñor ein Hospital außerhalb der Stadt besuchen, um besagte Wohltätigkeitsveranstaltung vorzubereiten, und war schon früh aufgebrochen.
    Als Escarlati Maria Barbaras diesbezügliche Note las, fühlte er sich erleichtert. Eigenartig. Also fürchtete er sich vor der ersten Begegnung zu zweit?
    Was soll’s, sagte er sich. Ein Kind hat sich mich gewünscht, und eine Frau packt mich aus. Jetzt bin ich hier. Das wollte ich ja, mein altes Leben hinter mir lassen. Und das ist mir gelungen. Ich bin unauffindbar. Es wird schon alles werden.
    Wieder machte er sich auf in die Stadt, nach einem reichhaltigen Mittagessen in der Küche des Palastes, besorgte dies und das, trank ein Gläschen, aß noch eine Pastete und schrieb einen Brief an Maricati, seine Frau in Napoli. Komponieren, nein, das ging noch nicht. Immer noch nicht.
    Was kann ein Geschenk wie ich schon erwarten?, dachte er heiter. Löst die Verpackung vorsichtig, damit nichts beschädigt wird, und dann spielt mit ihm, so oft ihr wollt! Welch seltsames Engagement.
    Er ging spazieren, versuchte immer wieder, die nachts gehörte Musik zu rekonstruieren und zu verstehen.
    An der Ecke eines kleinen Platzes verlangsamte er seine Schritte und sah ein paar Dutzend junge Männer bei einer seltsamen Tätigkeit – wie könnte man diese beschreiben? Das Füllen eines unsichtbaren Kubus aus Luft?
    Die Männer, offensichtlich nach gleicher Größe ausgesucht, standen eng zusammen, immer zu viert in einer Reihe und mehrere dieser Reihen noch enger hintereinander, so dicht, dass man nur mit koordinierten Fußbewegungen würde vorwärtskommen können, da Absatz und Ferse einander fast berührten. So bildeten die Männer einen sauberen Würfel aus Körpern, nach oben hin begrenzt durch die erhobenen Hände, deren Flächen aufwärts gedreht waren und sich zu einer Ebene summierten – die Dachseite des imaginären Würfels.
    Ihre Knie hielten die Männer leicht gebeugt, und nach einer Weile des Wippens setzten sie sich auf Zuruf eines Führers, der vor ihnen stand wie ein Dirigent, tatsächlich in Bewegung. Die kleinen, rutschenden und vollkommen synchronen Schritte verbanden sich zur Sohle einer kubischen Schnecke, die nun auf dem Platz ihre Bahn zog. Escarlati verstand die Kommandos des Steuermannes

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