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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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probierte schon einmal von dem Stoff, nickte anerkennend und ließ die Flasche wandern. »Das können sie.«
    »Und unsere Weiber vögeln.«
    »Schweine.«
    Escarlati lehnte ab, als er an der Reihe war, und deutete vage auf seinen Magen.
    »Was haben sie Euch angetan, mein Herr?«, sagte einer der Anführer zu ihm. Escarlati verstand nicht.
    »Diese verdammten Zigeuner, man müsste sie alle … Nun, jetzt seid Ihr ja in Sicherheit.«
    In Sicherheit? Escarlati schüttelte den Kopf, klopfte seine Kleider ab, die doch völlig sauber waren. Die abgerissene Musik klang in ihm nach, und das Geschwätz und Gelächter fuhr wie Schläge da hinein, war wie der plötzliche, unmögliche Bruch einer Tageszeit in eine andere – jemand hatte aus der Nacht ein Stück herausgeschnitten und entfernt -, ohne Verklingen, ohne Übergang wie Traum und böses Erwachen.
    »Aber die Musik …«, sagte er zu einem der Trampel, und der schaute, als habe sich der Meister diese nur eingebildet.
    »Seit Jahren treiben sie sich hier herum«, erklärte der Mann, »arbeiten nicht, gehen nicht zur Messe, braten unsere Haustiere und wer weiß was noch!«
    Erst jetzt bemerkte Escarlati einen Jungen, der im Würgegriff zweier Männer festsaß und wild um sich biss, lautlos und unermüdlich wie eine Echse.
    »Der war’s! Der hat’s geklaut!«, rief ein anderer.
    »Lasst ihn laufen. Ist nur ein Kind«, sagte der Anführer in einem Anflug von Großzügigkeit. Der Junge entwand sich, als die Griffe schwächer wurden, und war weg.
    »Wehe«, brüllte einer der beiden in die Finsternis, durch Kopfdrehen in alle Richtungen dosiert, »ihr lasst euch hier wieder sehen!«, und schwenkte seine Axt. »Dann fließt Blut!«
    Der Mob sammelte sich, machte sich auf – zum Wirtshaus, hieß nun die Parole – und beäugte den Meister mit wachsendem Misstrauen, ließ dieser es doch seinen Rettern gegenüber irgendwie an Dankbarkeit fehlen. Ein seltsamer Bursche, was hatte der hier überhaupt zu suchen? Andererseits aber einer aus dem Palast, und das hieß Vorsicht. Ein Spitzel der Inquisition? Geheimpolizei?
    Escarlati trödelte mit, machte sich unbeholfen am Gürtel zu schaffen, prüfte nochmals absichtlich umständlich, ob alles noch da war, murmelte »So was, na, so was«, dankte aber nicht, ließ seinen Schritt unauffällig aus dem Ruder laufen, wurde nach und nach Letzter, bog nach einer Weile abrupt in eine Seitengasse, atmete auf und verschwand.

9
    »Etwas leise vielleicht«, sagte der König, nachdem Escarlati geendet hatte, in die Stille hinein, die grundsätzlich für das königliche Urteil frei zu halten war. Dieses hatte allen anderen Meinungen voranzuschreiten, dem König letztendlich Pflicht und Bürde und keineswegs ein Vergnügen – außer, falls einmal ein Späßchen angebracht war. »Könnte man das nicht auch lauter machen?«
    Ein paar Fächer wischten durch verlegenes Schweigen. Der Künstler war am Zug, konnte nun erröten, stottern oder etwas Originelles sagen.
    »Leider nein, Euer Majestät«, sagte Escarlati und klopfte neben sich auf die Tastatur, welche nun – da die Register bereits ausgehakt waren – nur noch pochendes Holz bereithielt. »Ich hätte selbst gerne mehr Krach, das könnt Ihr mir glauben, doch … einen Sänger kann man kastrieren – und dann nimmt er es mit jeder Trompete auf, aber beim Cembalo wäre das schwierig: Was sollte man denn wegschneiden?«
    Das war lustig.
    »Vielleicht eines der drei Beine. Das vereinzelte am zugespitzten Ende«, sagte der König – auch dies war recht komisch.
    Lachen! Doch der Monarch schob wider Erwarten einen ernsthaften Gedanken hintennach: »Wir sollten unsere Gelehrten darauf ansetzen. Die Wissenschaft vermag alles zu verbessern.«
    »Das ist wahr, Majestät. Ein gewisser Cristofori in Italien ist schon seit einigen Jahren daran. Er verwendet statt der Reiter mit Filz überzogene Hämmerchen. Vielleicht könnte man eines dieser neuen Instrumente bestellen?«
    Der König wackelte in Zeitlupe mit dem Kopf, als solle sein Gehirn in die zum Denken beste Lage rutschen, so wie man frisch gemachten Salmorejo in der braunen Keramikschale zurechthäuft. Ob es gelang, spielte mehr oder weniger keine Rolle, denn allgemein war bekannt, dass eine Denkpause dieser Art und Pantomime hieß: mal sehen.
    Escarlati verbeugte sich, würde nachfassen, und zwar nicht zu früh – dies: zu aufdringlich –, aber auch nicht zu spät – das hingegen: Majestät hat’s schon wieder vergessen.
    O ja, das Wunder

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