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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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folgte ihr … Was für wunderbare Klänge! Ihr seid ein wahrer Meister – und auch die anderen, ja selbst die Weiber, die den Takt klatschen!«
    »Ihr mögt diese Musik?« Ungläubiges Staunen, wie das eines Kochs, wenn einem Fremden etwas schmeckt, das nie einem Fremden schmeckt, ja diesem gar nicht zu schmecken hat. Er mag die Musik … nun … dann … Also gut. »Komm mit«, sagte der Gitano unvermittelt und hatte sich auch schon in Bewegung gesetzt, vergewisserte sich dabei nicht, ob Escarlati ihm auch folgte, und schritt in eine Gasse davon.
    »Wartet auf mich!«, rief Escarlati, rannte ihm nach und ließ das absurde Reliquientheater hinter sich.
    Es wurde Abend, die Sonne kroch hinter die Häuser, und bald fand man sich dort wieder, wo das nächtliche Konzert stattgefunden hatte. In der Mitte des Platzes war die Grasnarbe schwarz, abgesengt und stellenweise mit verkohltem Geäst übersät, Spuren verschieden alter Feuerstellen. Ein paar Holzplanken, mit untergelegten Steinen mehr oder weniger auf gleiche Höhe gebracht, stellten die Bühne dar, eher Stolper- denn Tanzboden.
    »Da sind wir wieder«, sagte Montoya, setzte sich auf einen abgesägten Holzstamm und bot Escarlati einen ähnlich ungemütlichen Sitzplatz an.
    »Curro! Curro! Eine Geschichte! Erzähl uns eine Geschichte!« Eine Schar Kinder war auf den Platz gestürmt. Unter ihnen machte Escarlati den Jungen aus, der im Schwitzkasten der zwei Rüpel gesteckt, um sich gebissen und sich letztendlich befreit hatte – jetzt lachte er und sprang umher wie ein ganz normales, harmloses Kind.
    »Später«, sagte Montoya. »Haut ab. Ich habe Besuch.«
    »Gib uns was, Besuch!«, sagte einer der Jungs, doch Curro drohte mit dem Finger und der kleine Kerl war sogleich still – obwohl Escarlati bereits nach seiner Börse gegriffen hatte.
    »Seid Ihr hier sicher?«, fragte er Montoya. »Nachdem doch vorgestern just dort …« – er zeigte hinter sich zur Tanzfläche.
    »Ach was. Und wo sollten wir denn auch hin?«
    »Was war denn eigentlich der Grund für …«
    »Ich weiß es nicht. Sie wollen uns vertreiben. Das ist der Grund. Wir sind keine braven Bürger, stehlen Pferde, verspeisen kleine Kinder … was ein Gitano eben den lieben langen Tag tut. Nicht wahr?«, sagte Curro, zu den Jungs gewandt.
    »Eine Geschichte, Curro! Eine grausige!«, bettelten sie.
    »Vielleicht hat ja wirklich einer gestohlen«, fuhr Montoya fort. »He, ihr, habt ihr in letzter Zeit was geklaut? Taschen, Münzen, Hüte, Schmuck?«
    »Ich«, sagte ein Knirps und hob die Hand wie in der Schule.
    »Ich!«, ein anderer.
    »Ich auch!«, rief ein dritter stolz.
    »Kinder. Sie müssen klauen«, sagte Curro und lachte. »So werden sie flink und klug. Sie müssen kämpfen, stehlen, tanzen, singen, die Vihuela spielen …«
    Nun ja, dachte Escarlati, nickte und zuckte mit den Schultern. In Napoli ist das auch nicht anders.
    »Wir spielen dir schon noch etwas vor – deswegen bist du ja hier, nicht wahr?«, sagte Curro. »Sobald die anderen auch da sind – falls sie kommen, denn ob und wann, das weiß man nie. Doch nun …«
    Er fragt mich nichts, dachte Escarlati, nicht, wo ich herkomme, nicht, was ich tue. »Vor ein paar Tagen«, warf er ein, da er nicht wusste, was er erzählen sollte, »da habe ich eine Wahrsagerin getroffen, eine alte Frau. Sie hat mir dies und das erzählt, wohnt nicht weit von hier. Kennt Ihr sie? Gehört sie zu Euch?«
    »Die Alte mit der Kugel? Hahaha!«, rief Curro belustigt, kommentierte aber nicht weiter und nahm den Faden wieder auf. »Doch nun …«, sagte er langsam, erhob dabei die Stimme ein wenig wie ein Händler auf dem Markt. Die Kinder verstanden sofort, rannten herbei und setzten sich im Halbkreis zu Curros Füßen. »… eine Geschichte.«
    »Eine grausige«, insistierte der Knirps und drückte seine Strohpuppe an die Brust. »Die von der Menschenfresserkatze mit den Glühaugen!«
    »Die von dem Seeungeheuer!«, rief ein anderer.
    »Weder noch«, lachte Montoya, strich sich die Locken aus dem Gesicht, sagte: »Nur keine Sorge. Alle wahren Geschichten sind grausig«, und begann. »Einst«, sprach er, »da ritt ein Caballero die Rampe im Inneren des riesigen Kirchturmes aus Maurenzeiten, der Giralda, hinauf, die ganzen 34 Kehren, im Galopp, sein Pferd um die Ecken biegend und ohne Rücksicht – als habe man die Straße von Sevilla nach Carmona zu einer Spirale zusammengedreht. Die Wachen am Eingang hatte er niedergetreten, das Pferd schlängelte seinen

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