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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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gemacht.
    Escarlati saß am Cembalo, neben ein paar Trompetern, Hornisten, Holzbläsern und einem Pauker. Für die Musiker hatte man linker Hand der königlichen Tribüne ein Podest aus den weitergeführten Sitzreihen ausgespart.
    Die Plätze auf dieser Seite der Plaza waren teuer und von den wichtigsten Familien der Stadt besetzt, von deren jungen Söhnen sich einige in der Corrida und den ihr vorangehenden Geschicklichkeitsspielen zu Pferd würden zu bewähren haben. Das übrige Volk saß oder stand an den anderen drei Seiten, das heißt, diejenigen, die einen Platz ergattert hatten und sich nicht an Baumkronen oder Fenstersimsen festhalten mussten.
    »Was für ein Unsinn! Man wird nichts hören. Gar nichts«, murrte Escarlati, und der Sekretär sah ihn fragend an. »Das Cembalo«, fuhr der Meister fort, »ist für Kammermusik gedacht. Kammer!« Er wies auf den Platz hinaus und über die Ränge, musste schon jetzt die Stimme erheben, um das anschwellende Gemurmel zu übertönen. »Was glaubt Ihr wohl, wird man dort hören?«
    »Seine Majestät wünscht nun einmal, dass alle Musiker mitwirken …«
    »… Nicht lauter als das Knicken, wenn man einen Floh zwischen den Nägeln zerdrückt, so wird’s sein«, schimpfte Escarlati wieder und schüttelte den Kopf. »Plim!« Er schlug eine Taste an – tatsächlich, nichts! »Ja, wenn wir eines dieser neuen Instrumente von Cristofori hätten, dann … Und auch dann nur vielleicht! … Und überhaupt, Majestät hasst den Stierkampf, will ihn sogar verbieten lassen, der König hat’s mir selbst gesagt …«
    »Das mag ja sein, doch die Oberen der Stadt und das Volk … Es gehört nun einmal dazu.«
    »Diesmal, Meister Escarlati«, mischte sich der erste Trompeter ein, »diesmal zieht Ihr den Kürzeren. Bei allem Respekt.« Escarlati musste lachen: »Sei’s drum! So führe ich denn meine kleine Pantomime auf- in bester italienischer Tradition der Commedia! Handlung ohne Text, Geklimper ohne Ton. Wann sind wir dran?«
    Ein Tross schwarz gekleideter Reiter, die Alguaciles, mit schwarzen, breitkrempigen Hüten, Stöcken und Peitschen sprengte durch den Toril in die Arena und wurde mit Rufen und flatternden Tüchern begrüßt: Endlich ging es los!
    Die Reiter preschten erst quer und dann diagonal über den Sand, peitschenknallend, mit grimmigem Blick und vorgerecktem Kinn und nahmen ihre Aufgabe ernst: den Platz zu leeren, die letzten Händler, die Wasser, Imbisse und Hüte verkauften, zu vertreiben, wie auch ein paar Bettler und streunende Hunde sowie die üblichen Verrückten – jene, die auf das Eintreffen der Stiere warteten, davon überzeugt, geborene Töter zu sein und dem erstbesten Tier ihr erbärmliches Messerchen in den Schopf zu stoßen, vor aller Augen! Und sogar vor der Königin! Nun ja, manchmal kam dergleichen tatsächlich vor, meistens aber stürzten sich Freiwillige dieser Art erst im Laufe der Corrida über die Absperrung und wurden dann wenig später von zwei Gehilfen, einer links und einer rechts, leblos wie Schnapsleichen davongeschleppt. Manchmal blieb eine rote Spur zurück.
    Dann stellten sich die schwarzen Reiter vor der Königsloge in Positur, nahmen ihre Hüte ab und verbeugten sich. Die Ehrerbietung galt aus alter Tradition erst in zweiter Linie der königlichen Familie und zuerst dem Präsidenten, der wie ein Schiedsrichter die Veranstaltung zu leiten hatte und noch über der königlichen Loge saß. Es handelte sich üblicherweise um einen Caballero aus einer der vornehmsten und reichsten Familien. Vor sich hatte er bereits eine beträchtliche Anzahl von Schnupftüchern über die Brüstung gehängt, nicht weil er an einer starken Erkältung litt, sondern weil er mit diesen das Spektakel zu steuern hatte: Das weiße Tuch zum Beispiel schwenkte er zur groben Einteilung des Ablaufes, also zu Beginn, zum Einlass der Stiere oder Reiter, zur Genehmigung eines Todesstoßes et cetera. Das grüne, wenn der Stier nicht gut, das heißt, nicht angriffslustig genug war und die Arena verlassen musste – was bedeutete, dass er geschlachtet würde. Das schwarze, um dem Tier mit Schwarzpulver gefüllte Widerhaken zu setzen, die explodierten und das Opfer in Panik seinen eigenen Schwanz jagen ließen – und noch dergleichen mehr.
    Auf ein Tuchzeichen aus der Präsidentenloge gab Escarlati den Einsatz zur Fanfare.
    Wie er vorausgesehen hatte, war das Cembalo so gut wie unhörbar. Die Trompeten klangen beinahe wie sonst auch, ihr Ton lediglich von einer Art Film

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