Klang des Verbotenen
bedeckt, der aus den arpeggierten Akkorden bestand, wie Schimmel oder wie die Hefe auf einem guten Manzanilla, während er reift. Die Bläserakkorde knisterten ein wenig, waren möglicherweise etwas rauer oder rostiger als gewohnt.
Doch hätte man den Cembalopart getrost weglassen können. Des Komponisten Rolle war letztendlich nur diejenige eines Dirigenten – diese natürlich nicht ganz ohne Wichtigkeit.
So schlug er die Musiker mit großer Geste nach der Endfermate ab, und die Fanfare verklang.
Das Gemurmel in der Arena schwoll wieder an und entlud sich endlich in einen Schrei, als der erste Kämpfer auf den Sand stürmte. Er war ein festlich, aber altmodisch gekleideter Reiter, der eine lange Lanze trug. In der Mitte der Arena brachte er seinen Gaul zum Stehen und fixierte den Toril, aus dem er gekommen war.
Das Publikum war wieder still, zumindest die Erwachsenen, denn in solchen Momenten der Spannung konnte man das Plappern und Weinen der kleinen Kinder vernehmen.
»Don Quijote sendet einen Gruß«, sagte Escarlati zu seinem Nachbarn, und in der Tat wirkte der Ritter wie aus alter Zeit. Auch einen Sancho Panza gab es: einen dicklichen Jüngling, den Mozo, den Gehilfen, der Quijotes Rosinante zu Fuß hinterdreingeeilt war, einen Packen Schwerter und Dolche unter dem Arm sowie eine noch eingewickelte Capa, das gelbe Tuch, das er zu schwenken hatte, falls die Bestie abgelenkt werden musste.
Der Gehilfe stellte sich an der Holzwand auf, in der Nähe eines der Schlupflöcher, die zwar ein Mensch – und sei er auch ein wenig fett –, doch nicht ein Stier passieren konnte.
Und dann raste das erste Biest in die Arena, pechschwarz, mit gewaltigen Vorderbeinen und riesigem, ausladendem Gehörn, breiter als die Tastatur eines Cembalos.
Der Stier verharrte einen Augenblick wie ein Götterbild, und schon gab der Ritter seinem Pferd die Sporen, galoppierte dem Gegner diagonal entgegen und an ihm vorbei, während er seine Lanze in den Muskelschopf des Tieres über dem Rückgrat zu platzieren suchte. Dies gelang gleich beim ersten Mal. – Bravorufe! – Stier sowie Pferd schwankten wie zwei Galeeren im Nahkampf, der Reiter hielt die Lanze fest, drehte und bohrte sogar, dann sprang sie heraus, Blut floss, und die Tiere bewegten sich wieder auseinander.
»Wie gefällt Euch das?«, fragte Monseñor Rávago, Prinz Fernandos Beichtvater, der auf einmal neben Escarlati an der Barrera, der Holzverkleidung, lehnte.
»Das arme Tier«, ächzte Domingo. »Wie kann man nur …« Und hielt inne, als ihm bewusst wurde, dass der Monseñor seine Empörung keineswegs teilte.
Der Beichtvater lächelte großzügig. »Ein Anfänger«, sagte er verständnisvoll. »Nun, Ihr seid ja auch nicht von hier. Das kommt schon noch.«
Escarlati war sich dessen nicht so sicher, verfolgte aber gespannt das Geschehen.
»Ein schlechter Stier – ein Manso. Er ist feige. Das wird nicht lange dauern«, sagte Rávago fachmännisch und verächtlich zugleich.
Und in der Tat: Nachdem der Stier einige weitere Lanzenstiche hatte einstecken müssen, stand er bluttriefend, mit wogenden Flanken still, ratlos den Kopf gesenkt.
Der Reiter ritt an seinem Mozo vorbei, tauschte die Lanze gegen einen Degen und kam vor dem Stier zum Stehen. Den Degen hielt er nun ausgestreckt, zielend, wobei dessen Spitze beinahe die Nüstern seines Gegners berührte.
»Im toten Winkel«, erklärte der Trompeter, ein Aficionado, also ein Kenner und Liebhaber der Corrida. »Die Augen des Tieres stehen seitlich. Vor der Schnauze sieht es nichts.«
So war es wohl. Der Stier blickte in zwei verschiedene Fernen zur Rechten und zur Linken, die sich nicht überlappten und nicht eins wurden, und ahnte vielleicht zum ersten Mal die Wahrheit – falls er sie nicht schon längst wusste.
Auf den Rängen herrschte Stille, nur punktiert durch ein Kinderlachen. Der Reiter holte aus, drängte sein Pferd ein paar Schritte vorwärts und wollte seinen Degen in den gewölbten Rücken des Opfers schieben, doch das Eisen traf den Kanal zwischen den Schultern nicht, sondern einen Knochen oder gar das Rückgrat, spannte sich durch den plötzlichen Widerstand wie eine Feder, sprang dem Reiter aus der Hand und schoss durch die Luft ins Publikum, von woher ein Schmerzensschrei ertönte. Escarlati konnte nicht erkennen, was dort geschehen war. Der Mozo kam herbeigerannt und drückte seinem Herrn ein Schwert in die Hand, das dieser bei seinem zweiten Versuch bis ans Heft im Rücken des Stieres
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