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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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gebührender Entfernung und schlich Escarlati nach, zunächst durch die Gassen längs der Kathedrale und dann zur Kneipe, die auf halbem Weg zum Versammlungsort der Gitanos lag. Wie meistens machte Domingo dort Halt, trank ein erstes Glas Wein und grübelte.
    Die Abende wurden milder, das Leben kehrte sich mehr und mehr von innen nach außen, als stülpe man ganz langsam die Ärmel eines prächtigen Rockes um, den man allzu lange verkehrt herum getragen hatte. Bunte, schon vergessene Farben und Muster kamen wieder zum Vorschein, Blüten rankten sich auf einmal hoch, Grasbüschel wuchsen zwischen Steinen, und jeden Abend experimentierte die untergehende Sonne mit neuen Schattenspielen im Gassengewirr.
    Fern von der Heimat träumte Escarlati von noch weiteren Fernen.
    Der Verfolger saß vor seinem Glas, das er vorsorglicherweise gleich bezahlt hatte, hielt die Nase in Richtung Abendsonne und drehte seine Augen regelmäßig zu Escarlati hinüber, ohne dabei den Kopf zu bewegen.
    Unnötige Vorsicht allerdings: Domingo war in Gedanken versunken und versuchte, den Meerstreif jenseits des Flusses zu erahnen, was freilich nicht möglich war – die Sümpfe lagen dazwischen.
    Dort drüben. Der Atlantische Ozean. Darüber ein ins Unendliche verlängerter Sonnenuntergang. Man segelt hinein, immer weiter. Die Krümmung der Erdkugel – ja, davon wussten schon die Griechen, nur die Kirche wollte es nicht wahrhaben und den Ozean mit den Eisenhämmern der Inquisition wieder zu einer Platte zurückschlagen.
    Und als wäre dies auch gelungen, glänzte die Wasserfläche kupferfarben im Abendlicht, während die Sonne im Westen niederging.
    Man könnte noch weiter wegreisen, dachte Escarlati. Nach den Americas. Was mochten die Menschen dort, in Neuspanien, für Musik haben? Was für Träume? Was für Götter?
    Eine Kirchenglocke peitschte blechern und bösartig die Acht, viel zu schnell, als dass sich Ruhe und Zeitpuls hätten einstellen können, nein, wie immer rief sie zur Buße. – So muss schlechtes Gewissen auch klingen, dachte Escarlati, Musiker und ehemaliger Opernkomponist, der sich in solchen Dingen auskannte. – Sie plärrte missgünstig wider die Musik der Natur, den Vogelgesang, das Murmeln der Brunnen und Rumoren der Männer in der Kneipe, gegen den Zauber des Abends, gegen Faulheit, den Reichtum der Bettler und die Freude. Heiseres Geschepper – wenigstens findet man in diesem armseligen Glockenstuhl kein geraubtes Metall aus den Kolonien.
    Einige Leute ließen ihr Glas stehen und rannten zu der kleinen Kirche hinüber, als befände sich in ihrem Inneren ein Geheimgang zum letzten Transport ins Paradies, bevor die Welt untergeht. Hinter dem Altarbild? Durch den Weihwasserkessel tauchend? Im Turm?
    Das ist alles so widerwärtig eng. Schlimmer als Napoli.
    Musik und Tanz waren schon im Gange, als Escarlati die bekannte Stätte erreicht hatte. Und diesmal tanzte sie, Candela!
    Auch Japón war zu sehen, mittlerweile ebenfalls ein regelmäßiger Gast bei den nächtlichen Festen.
    Der Spitzel war in sicherer Entfernung zurück geblieben, tat harmlos, betrachtete diese oder jene verfallene Hauswand wie Gemälde und war bereits allen Bewohnern und Besuchern des Viertels außer Escarlati und Japón aufgefallen.
    Montoya sang zu Gitarrenmusik, wie immer. Diesmal jedoch beschränkte sich seine Stimme auf kurze Einwürfe, Anfeuerungen, die von den Rufen der übrigen Zuhörer verstärkt wurden.
    Candela stand in der Mitte des Rechteckes aus Holzplanken und griff wild nach der sie umgebenden Luft, knetete darin herum und entfachte einen Wirbelwind am anderen Ende der Welt.
    Nicht schlecht, dachte Domingo, der, wie jeder wahre Künstler, nie und von nichts je begeistert war. Berauscht, ja – doch dann befindet man sich außerhalb seiner selbst.
    Zwei Füße auf Holz oder zwei Hände auf der Klaviatur – Tanz ist Tanz. Alles ist Anstoß, ist Inspiration. Schon dachte er an seltsames, federndes Gehüpf auf dem Grund des Cembalos, der schwarzen Bühne mit weißen Einsprengseln. Ein Puppentheater von zehn Personen, unbändig und flink. Zehn aufsässige Knirpse, frech und für alles zu haben – alles, was geht, natürlich, und da kommt der Komponist ins Spiel. Also, überlegte er: Wenn ich die linke Hand auf der Zwei immer über die Rechte springen ließe … und dann spiegelverkehrt die Rechte obendrüber und dann kreuzweise wieder … Ja, das könnte …
    Doch, halt, Escarlati war durchaus berauscht, und zwar von der Frau, die er sah

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