Klang des Verbotenen
Hälften geschnitten, hingen über dem Feuer und wurden hie und da angeschwärzt. Die Flaschen gingen reihum, und auch Escarlati schenkte man ein. Verwundert blickte er in eine weitere Tönung von Rot, die in seinem Glas umherschlingerte, und hielt es gegen die Flammen. Dann trank er den Wein in kleinen Schlucken wie Medizin und blickte in das Gewoge um ihn herum.
»Gitanos! Zigeunerpack«, murmelte der Spitzel der Inquisition in seinem einsamen, luftleeren Raum: Niemand näherte sich ihm – war er doch aussätzig, ohne es zu wissen –, niemand sah ihm ins Gesicht.
Er hatte genug ausgekundschaftet und machte sich nun auf den Heimweg – sein Dienst lief ja auch bald ab, und Überstunden wurden nicht bezahlt; die Kirche muss sparen, gibt sie doch auch einiges von ihrem Geld den Armen. Alles muss seine Ordnung haben -Schluss für heute. Man hat ja auch noch den Bericht zu schreiben.
»Was schreib ich da bloß? Wirklich verboten ist’s nicht, was er treibt, der Fremde«, sprach die jämmerliche Gestalt zu sich selbst, »doch seltsam, ja bedenklich. Ein edler Herr in der Gosse, trinkt und feiert mit Tagedieben, wenn dies jeder täte! Nun, mich geht’s nichts an, tu nur meine Pflicht. – Doch diese scharfe Frau, zum Teufel noch mal, da könnt’ ich auch …«
»Hast du etwas gesagt?«, zischte eine Stimme neben ihm im Dunkel. »Verschwinde! Hier ist deinesgleichen nicht erwünscht.«
Der Mann wandte sich nicht zur Seite und tat, als habe er nichts gehört, doch beschleunigten sich unwillkürlich seine Schritte, und auf einmal zog er beim Gehen die Muskeln im Hintern zusammen.
Montoya sah dem kläglichen Spion nach. Escarlati trat mit fragendem Blick herbei. Gefahr?
»Sei vorsichtig«, sagte Curro. »Du wirst beobachtet. Traue niemandem. Rede nicht zu viel.«
22
Man hatte die Plaza de San Francisco an allen Seiten abgesperrt und in eine Arena verwandelt.
Einige Gebäude, darunter zwei Kirchen, grenzten direkt an den Platz. Vor den übrigen Gebäuden waren Tribünen aufgerichtet, deren erster, niedrigster Rang durch eine rundumlaufende Holzbalustrade geschützt wurde. Vier Gassen mündeten auf das schräge Rechteck der Plaza, von denen man zwei verbarrikadiert und zwei offen gelassen hatte, Letztere für die Stiere und Reiter. Die erste Pforte, durch die man die Toros in die Arena treiben würde, der Toril oder auch die »Pforte der Angst«, war an der schmalsten der vier Seiten gelegen und von überallher gut sichtbar.
Die Fassaden der Bürgerpaläste, der städtischen und kirchlichen Gebäude waren prächtig geschmückt. Wandteppiche, die man aus dem Dunkel der Salons gezerrt und an den Häusern festgezurrt hatte, boten galante Szenen offen dar, Fahnen flatterten unter den Fenstern und Balkonen. Dahinter und darauf, ja sogar auf den Dächern saßen, standen oder kauerten Menschen in ihren besten Sonntagsgewändern, mit ihren schönsten Westen, Stiefeln und Hüten. Diese Hüte mit der breiten Krempe waren besonders wichtig, denn sie mussten später geschwenkt oder gar in den Staub geworfen werden, zu Ehren eines Matadors, eines Töters also – oder auch manchmal zu Ehren eines besonders kühnen Stieres. Zunächst aber raubten die Hüte der Vorderen den Zuschauern im Fensterhintergrund lediglich die Sicht: Schon war der erste von einem Glatzkopf heruntergestoßen worden und als Vorbote der Corrida in die Arena gesegelt.
Das Pflaster des Platzes hatte man mit Sand bedeckt, Sand von den Ufern des Guadalquivir, viele Fuhrwerksladungen voll, und so blickte man in der Tat wie auf ein Stück ausgestanzten Strand.
»Der Platz ist so gut wie wasserdicht«, sagte der Sekretär, der neben Escarlati an der Balustrade stand. »So dicht, dass man ihn fluten könnte und kein Tröpfchen flösse davon.«
Nun, dies war wohl übertrieben, doch war der ehemalige Markt nicht wiederzuerkennen und hatte sich in eine andere, archaische Örtlichkeit verwandelt.
An derjenigen Flanke, hinter der die königliche Familie und die Diplomaten Platz genommen hatten, war der hölzerne Zaun mit Blumenkränzen verziert, die Tribüne war überdacht und auch vornehmer ausgestattet als andernorts, wo man mit blankem Holz vorlieb nehmen musste: Sitzbank wie Lehne hatte man dort mit Kissen gepolstert. Von der Dachkonstruktion hing gebauschtes blaues Tuch als Himmel herab. Die Träger und den oberen Querbalken hatte man mit goldenen Holzverzierungen benagelt, die Loge somit der oberen Hälfte eines überdimensionalen Bilderrahmens ähnlich
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