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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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und deren Bewegungen er begierig mit den Augen nachfuhr. Weiches und Hartes vermischte sich in ihrem Tanz auf einmalige Weise: Mal rammte sie sich mit einem Schlag des Absatzes in den Boden und wurde zur Statue, die Augen dann in sich selbst zurückgenommen und gleichsam mit anderen Sinnen vorgehend, dann wieder fuhr sie ihren Körper in großen, gelenkigen Bewegungen und wie streichelnd durch den leeren Raum zwischen Musikern und Publikum.
    Als Montoya seinen Freund erblickte, winkte er mit der ihm eigenen, wegwerfenden Handbewegung hinter sich, ließ die übrigen Musiker stehen – das Feuer war ja wahrlich angefacht – und sprang von den Planken herab.
    »Sie tanzt auf der Herdplatte des Teufels, nicht wahr?«, rief er Escarlati zu und schlug ihm auf die Schulter. »Auf der er sonst seinen Bohneneintopf kocht!«
    »Scharfe Bohnen sind das, verdammt noch mal«, rief Domingo durch den Lärm.
    »Das kannst du wohl sagen – und heute hat er einen gewaltigen Appetit.«
    Candelas Blick war Montoya gefolgt, und sie sah nun dem Freund ihres Bruders ins Gesicht. Domingo hielt ihren Augen stand, spürte einen beinahe schmerzhaften Sog und fühlte sich als Teil des Tanzes, obwohl er wie erstarrt zu Füßen der Tänzerin stand und – wie seltsam! – vor Erregung seinen Körper zur Gänze vergessen hatte.
    Curro grinste zu Japón und deutete mit einer Kopfbewegung, die jener nicht sah, auf Escarlati. Japón grinste zurück: Schicksal, nimm deinen Lauf. Was kann man da noch machen?
    Mit einem kraftvollen Schwung stürzte sich die Tänzerin gegen das Ende ihrer Darbietung – von den Musikern offenbar exakt vorhergesehen, denn sie brachen alle zugleich ab –, verharrte einige Sekunden in der zuletzt erreichten Pose, ihre Arme über dem Kopf, die Hände herrlich verdreht, in vollkommenem Gleichgewicht. Dann entspannte sie sich, von Hochrufen und Geschrei umgeben, senkte die Schultern und lächelte zum ersten Mal – lächelte Escarlati und niemandem sonst ins Gesicht und tanzte vom Podest herab.
    »Mein Schwesterherz«, sagte Curro zu Domingo und nahm Candela in den Arm. Sie entwand sich lachend, rief: »Ein großer Bruder ist nicht das Schlechteste auf der Welt.« über das Getöse der Begeisterung hinweg und wandte sich dann wieder Escarlati zu: »Und wer bist du? Nun, ich weiß es ja schon – Curro hat mir von Euch erzählt – ein großer Meister seid Ihr, ein berühmter Musiker, nicht wahr?«
    »Das kann niemand mehr guten Gewissens von sich behaupten, der Euch gesehen hat«, sagte Escarlati ungewöhnlich schlagfertig und küsste ihr die Hand.
    Candela schob ihm flugs die Hand einen Fingerbreit entgegen, sanft und beinahe unmerklich, und zog sie dann rasch wieder fort.
    »Jetzt liebt er sie schon«, sagte Curro zu Japón und feixte, als sei er allein daran schuld.
    »Sie sind … du bist …«, stotterte Domingo und hielt Candela dabei mit den Augen fest. Ihr Haar war schwarz und gelockt, so schwarz, dass es bläulich glänzte. Das Kleid schmiegte sich um ihren Körper, es war, als ließe sie es leben wie der Wind die Flamme.
    »Curros Freunde sind auch meine Freunde«, hauchte sie und verdrehte dem Meister damit endgültig den Kopf: Er hatte die Untertöne wahrgenommen, und seine Schüchternheit, das Leiden seit seiner Kindheit, war gesprengt. Doch Candela drehte sich sogleich, bevor Domingo den angefangenen Satz noch irgendwie hätte beenden können, huschte unter das Publikum wie eine Maus ins Loch und tauchte zwischen ihren Freunden wieder auf. Jeder wollte ihr jetzt nahe sein und sie umarmen. Jemand drückte ihr ein Glas Wein in die Hand, sie hob es hoch über den Kopf, wo es im Feuerschein funkelte wie eine Laterne, drehte sich um und prostete Domingo zu.
    »Lass sie feiern«, sagte Curro, während er seinen Arm um Escarlatis Schulter legte. »Du wirst Candela wiedersehen. Und wenn ich mich persönlich darum kümmern muss.«
    Escarlati blickte ins Feuer, sah den züngelnden Flammen zu, über denen man einen Metallrost verankert hatte, hörte Candelas Lachen aus dem allgemeinen Tumult heraus und nickte. Er hatte Lust zu verschwinden, im Getümmel unterzutauchen, fühlte sich von alten Fesseln, schützend und behindernd zugleich, losgeschnitten wie eine aus der Schale gelöste Auster, bereit, in den Schlund eines Ungeheuers gesogen zu werden.
    Auf dem Rost hatte man graue Krebse verteilt, deren Schalen sich nach und nach röteten, als gingen in ihnen Lichter an. Auch Pimientos, purpurn wie Candelas Kleid, in

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