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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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»Wir können zu gegebener Zeit in Ruhe darüber reden.«
    Haben wir das nicht gerade?, fragte sich Escarlati.
    Die Arena war nun leer, der Stier weggeschleppt, und der Reiter hatte sich in aller Form der königlichen Familie unterwürfig gezeigt, was leider zu Fuß geschehen musste, denn auch sein Pferd hatte den Platz bereits im Schlepptau verlassen, eine Darmschlinge hinter sich her schleifend. Auch vor dem Präsidenten hatte sich der Reiter tief verbeugt, in dieser Haltung eine Weile abgewartet, ob man ihm ein Ohr des getöteten Tieres zuspräche, doch dies geschah nicht – dafür war das Schauspiel wirklich nicht gut genug gewesen –, und so würde der Stier zweiohrig beim Schlachter eintreffen.
    »Wie gesagt«, wiederholte der Geistliche, »wir denken einmal gemeinsam darüber nach. An mangelnder Zeit kann unser Plan ja nicht scheitern, wenn man bedenkt, was Ihr zum Beispiel abends so alles treibt, nicht wahr? O ja, wir wissen Bescheid, man trägt uns dies und das zu, ob wir es wollen oder nicht …« Er klopfte Escarlati auf die Schulter, wobei dieser zurückzuckte.
    »Keine Sorge«, fuhr Rávago fort und ließ seine Hand auf der Schulter ruhen wie auf Beute. »Ihr seid Künstler und braucht Inspiration. Das ist doch klar, und wer verstünde dies besser als wir – seht nur selbst, wie unsere Kirchenräume von Kunstwerken überquellen –, und da sollte gerade uns nicht bewusst sein, unter welchen Bedingungen sie nur zustande kommen können? O ja, dazu bedarf es der Anregung, der Sinnesreize – und hat Gott nicht auch dafür alles Schöne, all die begehrenswerten Frauen, den Wein und die Musik geschaffen? – Und sei es … draußen vor der Stadt bei den Gitanos.«
    Im letzten Satz hatte Rávago eine Pause untergebracht, die Escarlati gar nicht gefiel, und danach die Stimme gesenkt.
    »Nicht wahr?«, sagte der Geistliche, viel leiser als zuvor, nach einer weiteren, noch unangenehmeren Pause.
    Domingo betrachtete angestrengt, was sich in der Arena tat, um Rávago nicht ins Gesicht sehen zu müssen.
    Ein hölzerner Ausleger, an dem ein großer, durch ein Tuch verhüllter Gegenstand angebracht war, wurde zwischen der Königsloge und der Musikertribüne in die Arena geschwenkt, sodass er wie ein Kran über den Sand ragte.
    »Ich bin ein ausländischer Bürger …«, begann Domingo, womit er ungewollt eingestand, die Drohung verstanden zu haben.
    »… doch auch und in erster Linie Christ«, fuhr Rávago dazwischen. »Und wir … kümmern uns … um alle christlichen Brüder und Schwestern, liebevoll und ungeachtet ihrer Herkunft, und tun es gern. Seid unbesorgt. Wir werden uns einigen.«
    Die Hülle über dem Ausleger wurde entfernt und eine hölzerne Figur kam zum Vorschein: ein lebensgroßer nackter Jüngling mit langem Haar, den ein sorgfältig geschnitztes Tuch umfloss, wie zufällig seine Geschlechtsteile verbergend. Die Linke hielt der junge Mann ausgestreckt, so weit wie möglich vom Körper weg, in der Faust eine armlange Kette. Am Ende der Eisenkette baumelte ein aus Pappmaché gefertigter Kopf, dessen aus Escarlatis Position sichtbarer Querschnitt durch den Hals sorgfältig bemalt war mit blutroten Kreisen, Röhrchen und Fleischfarbenem.
    Ein Maurenkopf war es, dunkel, mit Schnurrbart, Kopftuch, schwarzen Augen und hakenförmigem Kinn.
    Der Beichtvater hatte sich abgewandt und keine weitere Entgegnung Escarlatis abgewartet. Er blickte hinaus in den Sand, schüttelte mit minimaler, kaum wahrnehmbarer Bewegung den Kopf, seufzte, blickte hinüber zur Königsloge, sah Prinzessin Maria Barbara lächelnd im Gespräch mit einer Hofdame, die auf den Platz hinausdeutete und auf etwas zeigte. Ja, dort, am Toril machten sich einige Reiter bereit.
    Escarlati dachte an seine ferne Heimat und dieses unsäglich fremde Land, in dem Stiere, Pferde … und Menschen aufgeschlitzt, durchbohrt oder verbrannt wurden, ehe man es sich versah.
    Drunten ging es weiter. Escarlati nestelte ein zusammengefaltetes Blatt aus seiner Brusttasche. Der Magistrat hatte es sich etwas kosten lassen, eine Programmkarte gedruckt und gratis verteilt, zumindest unter den vornehmeren Zuschauern und geladenen Gästen.
    Domingo strich das Blatt, auf dem die Teilnehmer, Ehrengäste und Veranstalter aufgelistet waren, glatt und drehte es um. Die Rückseite war mit einer Ansicht der Plaza aus der Vogelperspektive bedruckt, mitsamt den Figuren, welche die Reiter nun, im zweiten Teil, beim Geschicklichkeitsspiel darzustellen hatten.
    Die Tribünen

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