Klassentreffen (German Edition)
verleugnet, ohne mit der Wimper zu zucken.
Franzi nahm vage wahr, dass sie am ganzen Körper zitterte. Sie suchte Halt an der Tischplatte.
Es musste ein Alptraum sein. Ein Missverständnis. So etwas würde Meike doch nicht wirklich machen. Sie liebten sich doch.
Tränen strömten jetzt Franzis Wangen hinunter. Sie schluchzte unzusammenhängende Worte, nur um nicht mehr Meikes grausame Sätze in ihrem Kopf zu hören, wieder und wieder. »Meike . . . Wie kannst du . . . wie konntest du nur . . . ich liebe dich!«
Eine entsetzliche Einsamkeit stieg in ihr hoch. Wie gern hätte sie jetzt jemanden gehabt, in dessen Armen sie Trost finden könnte. Aber niemand auf der ganzen Welt hätte diese Einsamkeit besiegen können, diese Leere füllen.
Minutenlang stand sie regungslos in der Küche, unfähig zu begreifen, was geschehen war. Wo sollte sie denn jetzt hin? Hierzubleiben war unmöglich. Nie wieder würde sie Meike in die Augen sehen können. Es war vorbei. Meike hatte ihre Chancen gehabt und sie nicht genutzt. Diese Erkenntnis ließ Franzis Beine nachgeben, sie sank zu Boden.
Weinend lehnte sie sich an einen Schrank. Meike hätte ja nicht gleich der ganzen Welt von ihrer Liebe erzählen müssen. Aber behaupten, dass sie Single sei? Sie bewusst und mit voller Absicht verleugnen? Das . . . Franzi ballte eine Faust, ließ sie dann kraftlos auf den Boden fallen. Ein Glassplitter bohrte sich in ihre Hand. Kleine Blutstropfen landeten auf dem weißen Linoleum. Aber Franzi spürte die Schmerzen nicht einmal. Der andere Schmerz war zu tief, zu umfassend.
Sie musste hier weg. Cori. Die einzige Person, zu der sie gehen konnte.
Mit letzter Kraft stand Franzi auf und suchte ihr Handy.
»Cori? Ich . . . Kann ich vorbeikommen?«, stammelte Franzi in den Hörer. Es war ein Wunder, dass Cori sie überhaupt verstand.
Ohne zu fragen, was passiert war, stimmte Cori sofort zu. »Oder soll ich besser zu dir kommen? Du hörst dich nicht so an, als könntest du gerade Auto fahren.«
»Nein, ich komme . . .« Franzi schluchzte noch immer. »Ich muss erst mal hier weg.«
»Wie du meinst. Dann bis gleich«, verabschiedete sich Cori. Ihr war deutlich anzuhören, dass sie besorgt um Franzi war.
Geistesabwesend packte Franzi ihre Sachen zusammen. Die Zahnbürste, die sie vor einiger Zeit in Meikes Bad verstaut hatte. Ihr Schlafshirt, das noch nach Meike roch.
Dann setzte sie sich mit ein paar Bögen Papier an den Küchentisch, um Meike eine Nachricht zu hinterlassen. Sie musste ihr schildern, wie sie sich fühlte. Meike sollte begreifen, was sie ihr angetan hatte, wie sehr sie sie verletzt hatte.
Noch immer schwammen ihre Augen in Tränen, die nicht aufhören wollten zu fließen. Der Schmerz war dumpfer geworden, aber unvermindert quälend. Auch Cori würde ihn nicht lindern können, das wusste sie.
Meike hatte sie nie wirklich geliebt. Ihr hätte von Anfang an klar sein müssen, dass Meike nicht zu ihr stehen würde, dass sie es nicht konnte. Zu der Einsamkeit der Verlassenen, Betrogenen gesellte sich der scharfe Schmerz der eingestandenen Selbsttäuschung. Franzi kam sich unendlich verloren vor.
Immer wieder nahm sie ein Blatt Papier und begann zu schreiben, doch genauso oft zerknüllte sie alles wieder und warf es in den Papierkorb. Es war einfach zu schwer, die passenden Worte zu finden. Dann endlich hatte sie es einigermaßen zu ihrer Zufriedenheit hinbekommen. Es war ein langer Brief geworden. Sie legte ihn auf den Küchentisch.
Dann griff sie nach ihrer Tasche. Ein letztes Mal ließ sie ihren Blick durch Meikes Wohnung schweifen, atmete Meikes Duft ein. Er nahm ihr beinahe die Luft zum Atmen.
Es war alles vorbei. Sie hatten niemals wirklich eine Chance gehabt. Warum nur hatte sie es nicht wahrhaben wollen?
~*~*~*~
C ori drückte Franzi fest an sich. Franzi musste gar nicht sagen, was passiert war; ihre beste Freundin wusste es auch so, da war sich Franzi sicher. Beruhigend streichelte Cori Franzis Haare. »Komm erst mal rein. Dann kannst du mir in Ruhe erzählen, was passiert ist.«
Franzi nickte. Ihre Augen fühlten sich schon ganz geschwollen an.
Im Wohnzimmer hatte Cori bereits zwei Rotweingläser gefüllt.
Franzi ließ sich auf das Sofa fallen. Noch immer liefen Tränen ihre Wangen hinunter. »Ach, Cori . . .«, schluchzte sie.
Cori legte ihren Arm um Franzi, und Franzi lehnte sich an ihre Schulter. Es tat gut, endlich nicht mehr allein zu sein. Gemeinsam war die Trauer doch ein wenig besser
Weitere Kostenlose Bücher