Klassentreffen (German Edition)
hatten. »Schmeckt gut. So süß. Wie du.«
Meike wurde übel. Sie musste den Würgereiz unterdrücken.
»Tschüss«, verabschiedete sich Karsten und verschwand in der Dunkelheit.
Meike blieb allein zurück. Das ganze Ausmaß ihres Dilemmas schien sie mit einem Mal zu erschlagen. Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie zitterte. Was sollte sie nur tun? Sie hatte sich völlig abhängig von Karsten gemacht. Wenn er das wollte, wüsste bald die ganze Schule, dass sie lesbisch war. Das durfte nicht passieren. Auf gar keinen Fall.
~*~*~*~
» F ranzi, kannst du bitte die Tür aufmachen? Ich komm sofort.« Meike war gerade im Badezimmer verschwunden, um sich für die Lehrerverabschiedung umzuziehen, die am Abend in ihrer Schule stattfinden sollte, als es klingelte.
Wahrscheinlich war das Meikes Kollege, der Meike mitnehmen wollte. »Natürlich. Ich bin schon auf dem Weg«, antwortete Franzi. Sie war extra noch kurz bei Meike vorbeigekommen, um ihre Freundin wenigstens kurz sehen zu können. Vielleicht würde sie auch über Nacht bleiben, obwohl sie wusste, dass es später werden könnte. Aber so würden sie wenigstens den ganzen Samstag gemeinsam verbringen können. Nebeneinander erwachen, zusammen frühstücken. Ein Lächeln huschte durch Franzis Gesicht.
Sie öffnete die Tür und ließ den gutgekleideten Mann herein. »Hallo, ich bin Franzi.« Sie streckte dem Mann die Hand entgegen.
»Schön, dich kennenzulernen. Ich bin Mario, ein Kollege von Meike.« Marios Händedruck war fest.
Franzi grinste. »Das hatte ich gehofft. Sonst hätte ich am Ende einen wildfremden Mann in Meikes Wohnung gelassen.« Sie zeigte Mario den Weg ins Wohnzimmer. »Meike kommt gleich, einen Moment noch.« Gerade als Franzi diesen Satz ausgesprochen hatte, betrat Meike das Zimmer.
Sie ging dicht an Franzi vorbei, so dass Franzi ihr Lieblingsparfüm an ihr wahrnehmen konnte. Ihre Hand streifte kurz Franzis Arm. In ihrem engen schwarzen Rock und der roten Bluse sah sie atemberaubend aus. Franzi schluckte.
»Hallo, Mario«, begrüßte Meike ihren Kollegen.
»Ich wünsch euch einen schönen Abend«, verabschiedete sich Franzi diskret und ging in Richtung Küche, um sich ein Glas Wasser einzugießen. Sie wollte Meike nicht in eine unangenehme Situation bringen.
»Das wünsche ich dir auch.« In Meikes Blick lagen all die vielen zärtlichen Worte, die sie in diesem Moment vor Mario nicht aussprechen wollte. Aber Franzi verstand sie auch so.
In der Küche öffnete sie den Kühlschrank und nahm die Wasserflasche heraus. Marios und Meikes Gespräch war auch hier gut zu verstehen, obwohl sie leise sprachen.
»Gut siehst du aus«, hörte Franzi Mario sagen.
»Danke«, erwiderte Meike. An ihrer Stimme konnte Franzi erkennen, dass sie verlegen war. Wahrscheinlich waren ihre Wangen in diesem Moment leicht gerötet. Franzi schmunzelte. Die zarte Röte stand ihr ausgesprochen gut. Sie goss das Wasser in ein Glas.
»Wo ist denn dein Freund? Sag nicht, du gehst allein. Wo doch heute ausdrücklich Partner mit eingeladen sind. Und so eine attraktive Frau wie du muss doch vergeben sein.« Mario lachte.
Franzis Magen krampfte sich zusammen. Partner waren eingeladen? Davon hatte Meike gar nichts erzählt. Sie umklammerte ihr Glas und hielt den Atem an. Von Meike kam einige Sekunden keine Antwort. Doch plötzlich sprudelten die Worte hervor ohne jedes weitere Zögern, ganz selbstverständlich. Franzi konnte es ganz deutlich hören.
»Nein, ich habe keinen Partner.«
Franzis Herzschlag setzte aus, ihr wurde schwindelig.
Und als wäre das nicht genug gewesen, fuhr Meike fort: »Ich bin solo und auf der Suche. Vielleicht findet sich ja heute wer. Lass uns gehen.«
Franzi hörte die Wohnungstür ins Schloss fallen. Das durfte nicht wahr sein. Das konnte Meike nicht wirklich gesagt haben.
Das Glas glitt ihr aus der Hand. Mit einem lauten Klirren zersprang es in tausend Scherben. Aber Franzi bemerkte es kaum. Das Wasser spritzte an ihr hoch wie in Zeitlupe, wie sehr weit weg.
Was hatte Meike behauptet? Solo und auf der Suche?
Franzis Mund war trocken. Ihre Augen waren offen, aber sie sah nichts.
Es konnte nicht wirklich passiert sein.
Franzi spürte einen brennenden Schmerz in ihrer Brust, der nicht nachlassen wollte. Tränen stiegen ihr in die Augen. Ihr ganzes gemeinsames Leben zerbrach in diesem Augenblick wie das Glas, das ihr aus der Hand gefallen war. Wie eine Seifenblase. Es war alles nur eine einzige Lüge gewesen.
Meike hatte sie
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