Klassentreffen (German Edition)
zu sagen haben? Wollte sie sich entschuldigen?
»Lass bloß die Finger von deinem Handy«, rief Cori aus der Küche.
»Ich möchte ja gar nicht mit ihr reden.«
»Ich weiß, dass du lügst, aber geh trotzdem nicht ran. Es wird nicht besser werden, wenn du ihre Stimme hörst.« Cori stand wieder neben ihr. »Versprochen?« In ihrem Blick lag Mitgefühl und Wärme.
»Ja, versprochen.«
»Gut.« Cori nickte anerkennend und entkorkte die Flasche. Sie füllte die Gläser ein weiteres Mal.
Langsam spürte Franzi, wie der Alkohol sie betäubte. Der Schmerz wurde erträglicher. Aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein.
Sie trank noch einen Schluck Rotwein.
~*~*~*~
L eicht angeheitert betrat Meike ihre Wohnung. Es war ein langer Abend gewesen, aber ganz nett – besser, als sie erwartet hatte.
Im Dunkeln hängte Meike ihre Jacke an die Garderobe. Sie war froh, ihre hochhackigen Schuhe loszuwerden. Auf Zehenspitzen schlich sie ins Schlafzimmer. Leise öffnete sie die Tür.
Sie setzte sich auf die Bettkante und tastete nach ihrer Freundin. Aber das Bett war leer. Irritiert schaltete Meike das Licht an. Tatsächlich, Franzi war nicht da. Die Decke lag zurückgeschlagen auf dem Bett, ihr Schlafshirt war verschwunden.
Was hatte das zu bedeuten? Franzi wird schon ihre Gründe gehabt haben, versuchte sich Meike zu beruhigen. Und sie war ihr schließlich keine Rechenschaft schuldig. Meike gähnte. Es war spät, und sie war froh, den Abend in der Schule hinter sich zu haben. Das Bett lachte sie verlockend an. Einfach reinfallen und einschlafen . . .
Meike ging ins Badezimmer, um sich abzuschminken. Schon auf der Türschwelle sah sie den geöffneten Spiegelschrank. Franzis Zahnbürste war verschwunden. Irgendetwas stimmte hier nicht.
Sie musste Franzi anrufen, hören, ob alles in Ordnung war. Meike holte sich das Telefon und wählte Franzis Nummer. Bei Franzi zu Hause nahm niemand ab. Vielleicht hatte sie sich spontan entschieden, noch auszugehen. Also tippte Meike Franzis Handynummer ein. Aber auch dieser Anruf blieb unbeantwortet.
Meike ließ noch einmal den Abend Revue passieren. Hatte Franzi erwähnt, dass sie noch einmal wegwollte? Sie hatten sich nur kurz gesehen, dann war Meike im Bad verschwunden. Und kurz darauf hatte auch schon Mario vor ihrer Tür gestanden.
Meike schreckte zusammen. Ihr Herz hämmerte.
Nein, unmöglich. Franzi konnte nicht gehört haben, was sie zu Mario gesagt hatte. Sie war doch in der Küche gewesen.
Doch im selben Augenblick wurde es schreckliche Gewissheit. Natürlich konnte man in der Küche hören, was im Wohnzimmer gesprochen wurde. Meike schlug verzweifelt die Hände vors Gesicht. Tränen füllten ihre Augen.
Das konnte nicht wahr sein. Es hatte sicher nichts damit zu tun. Es durfte einfach nicht.
O Gott, sie durfte Franzi nicht verlieren.
Erneut griff Meike zum Telefonhörer. Sie musste Franzi erklären, was passiert war. Warum sie diese Worte gesagt hatte, die für Franzi entsetzlich schmerzhaft sein mussten.
Aber wieder ließ sie das Telefon vergeblich klingeln. Wahrscheinlich wollte Franzi nicht mit ihr sprechen – und wer konnte ihr das schon übelnehmen?
Es wurde Meike immer deutlicher, dass sie einen dummen, einen unverzeihlichen Fehler begangen hatte. Wie hatte sie Franzi nur verleugnen können? Ihr Herz gehörte Franzi. Nichts von dem, was sie gesagt hatte, hatte sie auch nur im Geringsten so gemeint. Aber vielleicht war es jetzt zu spät . . .
Meike weinte nun bitterlich. Sie hatte alles kaputtgemacht. Die Hoffnung, dass es doch etwas anderes war, was Franzi vertrieben haben könnte, hatte sie längst aufgegeben.
Sie lief in die Küche. Beinahe wäre sie in die Scherben getreten, die dort auf dem Fußboden lagen, aber gerade noch rechtzeitig knipste sie das Licht an. Ihr bot sich ein einziges Bild der Trauer. Tausende kleine Glassplitter, verteilt in einer Wasserlache, zeugten von der Katastrophe, die sich hier heute abgespielt haben musste.
Ein zersprungenes Glas, zerbrochen wie ihre Liebe, ihr ganzes Leben, in einem winzigen Moment – durch ein paar wenige Worte, die ihr gedankenlos herausgerutscht waren. Durch einen kleinen Fehler, der doch das Schlimmste war, das sie je getan hatte.
»Scherben bringen Glück«, kam es Meike in den Sinn. Es klang wie Hohn.
Da fiel ihr Blick auf den Brief, den Franzi auf dem Küchentisch platziert hatte. Mit zitternden Fingern nahm Meike das sorgsam beschriebene Blatt in die Hand. Ihre Kehle war wie
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