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Klassentreffen (German Edition)

Klassentreffen (German Edition)

Titel: Klassentreffen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Schöning
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auf Kommando füllten sich Meikes Augen mit Tränen. Mit den Handrücken versuchte sie die Feuchtigkeit wegzuwischen, aber sie kam nicht dagegen an. Und trotzdem . . . sie konnte es ihrer Schwester nicht sagen.
    Claudia legte behutsam ihren Arm um Meikes Schulter.
    Meike schluchzte. »Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht . . . einen unverzeihlichen.«
    Sanft strich Claudias Daumen über Meikes Bein. »Kein Fehler ist unverzeihlich.« Sie lächelte Meike aufmunternd an. Als diese jedoch nur leise weiterschluchzte, wiederholte sie ihre Frage: »Also, Liebeskummer?«
    Meike nickte zaghaft. »Ja.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du verliebt bist.«
    Meike wischte ihre feuchten Finger an ihrer Hose ab. Sie atmete tief durch. »Das war das Problem.«
    Claudia strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    »Niemand wusste davon. Ich . . .«, stammelte Meike. Es zog in ihrer Brust. Ihre Zunge wollte ihr immer noch nicht gehorchen. Trotzdem setzte sie erneut an: »Ich . . .« Nein, sie brachte es nicht fertig. Sie konnte es nicht aussprechen. Es ging einfach nicht.
    »Franzi?« Claudias Blick ruhte auf Meike.
    Mit offenem Mund starrte Meike ihre Schwester an. »Woher . . .?«
    Claudia drückte Meike an sich. »Meike, ich bin nicht blind. Ich hatte diese Vermutung schon ganz lange. Aber jetzt erzähl mir, was passiert ist.«
    »Franzi und ich . . .« Meike hielt inne. Sie starrte auf den Couchtisch hinunter. »Wir waren ein Paar. Seit dem Klassentreffen.« Eine Träne tropfte auf ihren Handrücken.
    Claudia reichte ihr ein Taschentuch.
    »Zumindest sind wir uns dort nähergekommen. Es hat noch eine Weile gedauert, bis wir uns beide unsere Gefühle eingestanden haben.« Das erste Mal seit dem gestrigen Abend huschte der Hauch eines Lächelns durch Meikes Gesicht. »Ich hätte niemals gedacht, dass ich solche Gefühle haben könnte wie für Franzi. Es . . . es hat mich überwältigt. Es war wunderschön mit ihr. Aber . . .« Meike senkte den Kopf. »Aber ich wollte nicht, dass irgendjemand etwas davon erfährt. Ich hatte Angst. Angst, dass Mama und Papa nicht mehr mit mir sprechen . . . dass meine Schüler mich verspotten . . . dass die Eltern mir ihre Kinder nicht mehr anvertrauen wollen.«
    Claudia streichelte Meikes Haare. »Und dann?«
    »Gestern Abend war Lehrerverabschiedung bei uns in der Schule. Ein Kollege hat mich abgeholt und mich nach meinem Freund gefragt. Und ich . . .« Meikes Fingernägel hinterließen tiefe Abdrücke in ihren Armen. »Ich habe gesagt, ich sei Single. Franzi stand in der Küche und konnte alles mit anhören.«
    »Ach, Meike.« Claudia hielt Meike fest. »Meine arme Kleine.«
    »Was habe ich nur getan?« Meikes Blick war tränenverhangen.
    »Es wird alles gut«, flüsterte Claudia.
    Meike richtete sich wieder auf. »Und was sagst du dazu?« Endlich war es raus – das wurde ihr jetzt erst bewusst. Endlich hatte sie jemandem, der ihr nahestand, davon erzählt. Sich geoutet. Und es war leichter gewesen, als sie sich das vorgestellt hatte.
    »Du meinst, dazu, dass du eine Frau liebst?«
    Meike nickte. Ihr Herz klopfte schneller. Liebe. Ja, es war wirklich Liebe. Keine Schwärmerei. Nicht bloß Verliebtsein. Liebe.
    »Ich freue mich für dich, wenn du glücklich bist. Und ich bin nicht so überrascht, wie du vielleicht denkst«, sagte Claudia. »Weißt du, ich kenne dich ganz gut. Das bilde ich mir zumindest ein.«
    »Woher wusstest du es?«
    »Spätestens auf deinem Geburtstag hätte man Scheuklappen aufhaben müssen, um die Blicke, die ihr euch zugeworfen habt, nicht zu bemerken.«
    Meikes Wangen röteten sich. »War das so offensichtlich?«
    »Wenn man die Augen vor der Wahrheit nicht verschließt, dann ja. Aber ich habe auch schon früher gedacht, dass du uns irgendwann eine Frau als deine Partnerin vorstellen würdest. Als du noch ein Teenager warst. So wie du damals immer von Franzi geschwärmt hast. Das war keine normale Freundschaft zwischen euch. Aber Franzi war nicht die einzige Frau, die du angehimmelt hast. Kannst du dich noch an deine Deutschlehrerin in der sechsten Klasse erinnern? Die hast du vergöttert. Jungs oder Männer hast du hingegen nie erwähnt.« Claudia grinste. »Umso überraschter war ich, als du uns Thomas als deinen Zukünftigen präsentiert hast.«
    Meike seufzte. Wenn Claudia das alles so klar gewesen war, warum hatte sie selbst dann so lange gebraucht, um zu bemerken, dass sie lesbisch war? Aber wenn Meike darüber nachdachte,

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