Klassentreffen
in der Zentrale einer Großbank mit Niederlassungen im Ausland. Nicht gerade mein Traumjob. Ich habe Niederländisch und Französisch für das Lehramt studiert, aber ich fand keine Schule, die mir zusagte. Ich muss zugeben, dass ich auch ziemlich bald keine Bewerbungen mehr schrieb. Die erste Bekanntschaft mit pubertärer Aufsässigkeit während meines Praktikums hatte mir ganz und gar nicht gefallen.
Also machte ich im letzten Studienjahr eine Sekretärinnenausbildung an einer Abendschule, ließ mich in die Welt der EDV einführen und bewarb mich in der freien Wirtschaft. So landete ich bei der BANK, im neunten Stock, direkt an der Ringstraße.
Das Gebäude hat mich beim ersten Mal tief beeindruckt. Vor dem Eingang liegt ein gepflegter Park, und als ich durch
die Drehtür eine großzügige Welt aus Marmor betrat, hatte ich das Gefühl, zu einem völlig unbedeutenden Wesen zusammenzuschrumpfen, das in dieser luxuriösen Umgebung nichts zu suchen hatte.
Aber es war alles halb so schlimm. Wie sich herausstellte, steckten in den teuren Anzügen und Kostümen um mich herum auch nur normale Menschen.
Ich legte mir eine neue Garderobe zu und beherzigte dabei den Rat meiner Mutter, dass man von ein paar teuren, aber hochwertigen Teilen zum Kombinieren mehr hat als von einem Haufen Billigklamotten. Meine Jeans verbannte ich in den hintersten Winkel des Kleiderschranks. Von nun an gehörten taillierte Blazer, knielange Röcke und dunkle Strumpfhosen zu meinem Standard-Outfit. In meiner Verkleidung als Frau von Welt betrat ich jeden Tag die imposante Eingangshalle.
Die Arbeit selbst entsprach allerdings nicht ganz meinen Erwartungen. Es hatte sich alles so gut angehört: Sekretärin in der Hauptniederlassung der BANK, Voraussetzungen: Kontaktfreude und Fremdsprachenkenntnisse in Wort und Schrift.
Aber für Standardsätze wie Please, hold the line und das Nachbestellen von Pritt-Stiften hätte ich keine Studienfinanzierung beantragen müssen. Wahrscheinlich war das mit der ebenfalls vorausgesetzten »Flexibilität« gemeint.
Die Arbeit war also alles andere als aufregend, dafür war das Betriebsklima umso besser.
Ich hatte eine eigene Wohnung und einen Job. Mein neues Leben hatte begonnen.
Ein Jahr später brach ich zusammen.
KAPITEL 2
Zur Feier meiner Rückkehr gibt es keine Torte, und im Sekretariat hängen keine Girlanden. Hatte ich auch nicht erwartet. Na ja, ein bisschen vielleicht schon. Als ich nach dem anstrengenden Treppensteigen in der Tür stehe, entweichen Erwartung und Vorfreude mit meinem keuchenden Atem.
Ich hätte natürlich den Lift nehmen können, aber ich treibe ohnehin kaum Sport. Mein Arzt hat mir empfohlen, öfter mal Treppen zu steigen. Er weiß allerdings nicht, dass ich im neunten Stock arbeite.
Es dauert eine Weile, bis mich die Kolleginnen bemerken. Ich registriere sämtliche Veränderungen mit einem Blick: meinen beschlagnahmten Schreibtisch, den vertrauten, freundschaftlichen Umgang meiner Vertretung mit den anderen, die neuen Gesichter. Ein wenig kommt es mir so vor, als würde ich mich um meine eigene Stelle bewerben.
Dann werde ich wahrgenommen, die Kolleginnen kommen auf mich zu und begrüßen mich. Mein Blick gleitet rasch über die Gesichter, sucht jemanden, der nicht da ist.
»Hey, Sabine! Wie geht’s dir?«
»Bist du wieder richtig fit?«
»Na, dann mach dich mal auf was gefasst. Hier geht’s zu wie im Irrenhaus!«
»Wie geht’s? Du siehst gut aus.«
Niemand von ihnen hat sich blicken lassen, als ich krank war, außer Jeanine.
Renée kommt mir mit einem Becher Kaffee entgegen. »Hallo, Sabine«, sagt sie lächelnd. »Alles okay?«
Ich nicke und sehe zu meinem Schreibtisch hinüber.
Sie bemerkt meinen Blick. »Ich möchte dir Margot vorstellen, deine Vertretung«, sagt sie. »Margot hat, solange du weg warst, deine Aufgaben übernommen. Sie bleibt, bis du wieder voll einsatzfähig bist.«
Ich lächle Margot an, und sie lächelt zurück, macht aber keine Anstalten, aufzustehen und mir die Hand zu geben.
»Wir haben uns bereits kennen gelernt«, sagt sie.
Renée guckt erstaunt.
»Bei der Weihnachtsfeier«, hilft ihr Margot auf die Sprünge, und Renée nickt. Sie erinnert sich.
Ich will gerade auf meinen Arbeitsplatz zugehen, als Renée mich zurückhält. »Da hinten ist noch ein Schreibtisch frei, Sabine. Margot arbeitet jetzt schon so lange hier, dass es Unsinn wäre, wenn sie jetzt umziehen müsste.«
Ich sage mir, dass es kein guter Einstand ist, gleich am
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