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Klassentreffen

Titel: Klassentreffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Vlugt
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mir keine Gedanken um meine Wäsche zu machen, die wurde gewaschen und gebügelt; abends stand pünktlich das Essen auf dem Tisch – Fleisch und frisches Gemüse statt Fastfood, mit dem meine Kommilitonen ihre Gesundheit ruinierten. Außerdem fühlte ich mich zu Hause sehr wohl. Ich dachte also nicht mehr ans Ausziehen, bis meine Eltern Auswanderungspläne schmiedeten. Als sie mir von ihrem Vorhaben erzählten, war ich neunzehn, und ich flippte völlig aus. Meine Eltern – mein Halt, mein Rettungsanker – kehrten mir einfach den Rücken! Wie kamen sie bloß auf die Idee, ich sei erwachsen, könne auf eigenen Füßen stehen und ohne sie zurechtkommen? Wer hatte ihnen diesen Floh ins Ohr gesetzt? Ich konnte nicht ohne sie leben, niemals! Wohin sollte ich dann an den Wochenenden, bei wem Unterstützung finden? Ich saß auf dem Sofa, schlug die Hände vors Gesicht und brach in Tränen aus.
    Im Nachhinein schäme ich mich ein bisschen, dass ich es Papa und Mama so schwer gemacht habe. Robin erzählte mir später, dass sie ernsthaft überlegt hätten, ihren Plan aufzugeben, er ihnen aber geraten habe, sich von mir nicht so beeinflussen zu lassen.
    »Demnächst hat sie einen Freund, und dann seht ihr sie sowieso kaum mehr«, redete er ihnen zu. »Jetzt seid ihr noch
jung genug, um euren Traum zu verwirklichen. In zehn Jahren, wenn Sabine längst ihr eigenes Leben führt, wagt ihr diesen Schritt vielleicht nicht mehr.«
    Sie unterstützten mich finanziell, sodass ich mir eine kleine Wohnung in Amsterdam kaufen konnte, und reisten ab. Alle paar Wochen flogen sie zurück in die Niederlande, zu mir. Aber nur am Anfang.
    Meine Studienjahre, aber auch die Zeit danach, waren einsam. Mit keinem meiner Kommilitonen habe ich Kontakt gehalten. Ehrlich gesagt hätte mir auch die Energie gefehlt, mich nach Feierabend noch mit Leuten zu verabreden. Meine Welt bestand fünf lange Arbeitstage pro Woche aus dem Sekretariat der BANK, den mit dunkelblauem Teppichboden ausgelegten Fluren, den Toiletten mit den Energiesparlampen, die einen hohläugigen Alien aus einem machen. Meine freie Zeit verbrachte ich in der Kantine oder am Süßigkeitenautomaten im zehnten Stock, zu dem Jeanine und ich gegen vier flüchteten, um kurz Pause zu machen.
    Offiziell war um fünf Uhr Schluss, aber jede zweite Woche hatte ich Telefondienst bis um sechs; dann fing ich auch eine Stunde später an. Wenn ich dann gegen halb sieben nach Hause kam, hatte ich nicht mehr die Kraft zu kochen, geschweige denn, soziale Kontakte zu pflegen.
    Ich schaffte es gerade noch, mich mit einem in der Mikrowelle aufgewärmten Fertiggericht aufs Sofa fallen zu lassen und den Fernseher einzuschalten. Wenn ich aufs Klo ging, guckte ich routinemäßig auf meine Armbanduhr, um mir dann zu sagen, dass ich schließlich zu Hause war und in aller Ruhe sitzen bleiben konnte, weil da keine Renée war, die bei meiner Rückkehr vorwurfsvoll auf die Uhr guckte. Meine Freundschaft mit Jeanine begann sich gerade auf die Wochenenden auszudehnen, als ich krank wurde. Jetzt
arbeite ich wieder, und sie ist nicht mehr da! Warum hat sie gekündigt?
     
    Jeanine öffnet die Tür einen Spaltbreit, ihr Kopf ist in Alufolie eingepackt. »Sabine!«, sagt sie verdutzt.
    Leicht verlegen sehen wir uns an. Ich will mich schon für den Überraschungsbesuch entschuldigen, als sie die Tür ganz aufmacht. Wir küssen uns auf die Wange.
    »Steht dir gut«, sage ich mit einem Blick auf die Folie.
    »Schon gut. Ich färbe mir gerade die Haare, deshalb auch der alte Bademantel. Da sind noch die Flecken vom letzten Mal dran. Ich hab mich echt zu Tode erschreckt, als es klingelte.«
    »Dann mach doch nicht auf.«
    »Na, hör mal! Ich will schließlich wissen, wer vor meiner Tür steht. Gott sei Dank warst du es bloß.«
    Ich setze mich in einen Korbstuhl mit weißem Kissen, der bequemer ist, als er aussieht.
    Wir sehen uns an und lächeln verlegen.
    »Willst du einen Kaffee?«, fragt Jeanine. »Oder können wir uns schon was Stärkeres genehmigen?« Sie guckt auf die Uhr. »Halb neun. Gerade richtig. Wie wär’s mit einem Glas Wein?«
    »Lieber erst Kaffee«, sage ich und rufe ihr, als sie in die Küche geht, nach: »Aber bring den Wein gleich mit!«
    Ich höre sie lachen und schaue mich zufrieden um. Die Entscheidung, Jeanine zu besuchen, war richtig. Kein langer, öder Abend in meiner Wohnung, stattdessen werden wir bei einer Flasche Wein gemütlich plaudern. Genau so hatte ich mir mein Leben vorgestellt, als ich

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