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Klassenziel (German Edition)

Klassenziel (German Edition)

Titel: Klassenziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. A. Wegberg
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mitteilsam. Wenn er überhaupt redete, dann mit Nick, und zwar so leise, dass ich es nicht verstehen konnte. Aber wenigstens schienen die beiden sich gut zu verstehen. Sie lachten immer an denselben Stellen bei ihrem Online-Game und verdrückten gemeinsam eine Tüte Salzstangen.
    Marek kam noch öfter zu uns nach Hause. Trotzdem blieb er für mich mehr oder weniger ein Fremder. Ich weiß, im Nachhinein ist es blöd, so was zu sagen, aber er war mir nicht besonders sympathisch. Irgendwie ging er nie richtig auf mich ein, obwohl ich immer versuchte, nett zu ihm zu sein. Und mir gefiel sein Aussehen nicht. Er hatte fettige Haare, trug Supermarkt-Jeans, unheimlich dreckige No-Name-Turnschuhe und karierte Hemden, und manchmal roch er ein bisschen nach Schweiß.
    Na ja, meinetwegen hätte er auch Eiterbeulen und Blumenkohlohren haben können, weil ich wollte, dass Nick endlich mal ein bisschen unter Leute kam und Spaß hatte. Dominik war jetzt auch wirklich viel öfter unterwegs, manchmal kam er sogar erst ganz spät abends nach Hause. Er kaufte sich ein altes Moped, das Marek ihm in der Werkstatt seiner Eltern fit machte. Damit fuhren die beiden dann in der Gegend rum. Oder was weiß ich.

[zur Inhaltsübersicht]
    25
    J etzt bin ich natürlich neugierig geworden. Von meinem Platz in der letzten Reihe aus beobachte ich, wie der japanische Paradiesvogel in den Klassenraum zurückkehrt. Umgeben von drei Mädchen, alle größer als er, kommt er kichernd und gackernd aus der Pause. Da noch kein Lehrer in Sicht ist, setzt er sich auf einen der Tische und quatscht weiter. Ich kann sein Profil sehen. Und ich würde immer noch meine Sneakers drauf verwetten, dass das ein Mädchen ist. Ich stoße Maxi den Ellenbogen in die Seite. «Hey, das ist doch gar kein Junge, oder? Du hast mich verarscht.»
    «Tja, das musst du wohl selber rausfinden! Frag ihn doch!»
    Jetzt ist allerdings erst mal Geschichte angesagt, und da kommt er auch schon, der Brehm. Das ist bis jetzt der älteste Lehrer. Er sieht genau so aus, wie Lehrer in alten Filmen immer aussehen: mit grauen Haaren, Kinnbart und einer kleinen, goldgefassten Brille. Er trägt sogar eine Fliege. Ich hab den Verdacht, dass er sich einen Spaß draus macht, alle Klischees zu bedienen. Natürlich wirkt er dadurch auch ziemlich streng, und ich gebe mir Mühe, ganz aufmerksam zu gucken.
    «Aha, ein neues Gesicht! Steh doch mal auf und stell dich in ein paar Sätzen vor.»
    Ich nenne meinen Namen und mein Alter. Weil er noch längst nicht zufrieden aussieht, füge ich hinzu: «Ich bin vorher in Nordrhein-Westfalen zur Schule gegangen.»
    «In Nordrhein-Westfalen!», wiederholt er. «Nun, das ist ja eine überaus präzise Angabe. Immerhin handelt es sich dabei um das bevölkerungsreichste Bundesland mit einer nicht eben geringen Gesamtfläche. Ich denke, wir haben jetzt alle eine ganz genaue Vorstellung von deinem bisherigen Lebensumfeld, nicht wahr?» Er lässt den Blick durch die Klasse schweifen. Einige lächeln höflich. Ich auch.
    «Am Niederrhein», sage ich. Niemand kann mich zwingen, noch genauer zu werden, oder? Dieser Brehm gefällt mir nicht. Ich kann es nicht leiden, wenn einer so mit mir redet, und fühle mich total in die Enge getrieben. «In einer Stadt mit fünfundsiebzigtausend Einwohnern und einer Flächenausdehnung von ungefähr neunzig Quadratkilometern.» Es ist natürlich purer Zufall, dass ich diese Zahlen so genau kenne. Liegt einfach nur daran, dass ich im letzten Schuljahr ein Referat darüber gehalten habe.
    «Aha, ich sehe schon, du bist ein Zahlenmensch», sagt der Brehm. Mir ist klar, dass jetzt irgendwas Fieses kommt. Er muss ja schließlich sein Gesicht wahren. Ich spanne meine Rückenmuskeln an und versuche, weniger flach zu atmen. «Sicher hast du dir das Datum des Schwarzen Freitags an der amerikanischen Börse auch gemerkt?»
    Na, das war ja klar. Damit hat er mich. Alle starren mich jetzt an, und ich glaube, die allermeisten wünschen sich, dass ich einfach so mit der korrekten Antwort um die Ecke komme, weil sie den Brehm ebenso wenig leiden können wie ich. Ich bin ihre Hoffnung. Aber fuck, ich weiß es nicht. «1929», sage ich, und das ist zu achtzig Prozent geraten.
    «Nun ja, das ist kein Datum, sondern eine Jahreszahl», sagt der Brehm zickig. «Aber immerhin ist sie korrekt. Du kannst dich setzen.» Durch die Klasse geht ein erleichtertes Seufzen, und in allen Gesichtern, die ich von meinem Platz aus sehen kann, entdecke ich ein stilles Grinsen.

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