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Klassenziel (German Edition)

Klassenziel (German Edition)

Titel: Klassenziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. A. Wegberg
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Familien von Amokläufern zu tun hätte und genau wüsste, was man da so sagen und machen muss.
    Uwe hatte fast die ganze Zeit den Arm um meine Mutter gelegt und spielte demonstrativ den Beschützer, während sie sich mit der Psychologin unterhielt. Das ging mir mächtig aufs Schwein, aber wenn ich das jetzt rausließ, würde ich bloß noch mehr Schaden anrichten. Am besten, ich guckte einfach nicht mehr hin. Eigentlich hatte ich auch gar nicht die Kraft, mich über so was aufzuregen – meistens dachte ich an Nick und an das, was er angeblich getan haben sollte.

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    K urz bevor wir wieder in den Klassenraum zurückgehen, fragt Luna, ob ich mich nicht auf Merets Platz setzen will. Immerhin wird sie noch eine ganze Weile fehlen; sie hat mehrere Knochenbrüche und eine üble Gehirnerschütterung. Ich fühle mich total geschmeichelt, bin aber trotzdem sehr unschlüssig.
    Maxi gegenüber wäre es ziemlich mies, wenn ich mich woandershin setze. Andererseits wurde mir der Platz neben ihm bloß zugewiesen, ich sitze da ja nicht, weil ich Maxi so nett finde. Aber ist es sinnvoll, dass ich mich so eng an Kenjis Clique anschließe? Auch wenn alles in mir sich das eigentlich wünscht? Wie wirkt das auf den Rest der Klasse? Die drei sind Outcasts, sie werden gemobbt oder bestenfalls belächelt. Vermassele ich mir sämtliche Chancen auf eine gute Position, wenn ich mich mit ihnen verbünde?
    Vor so einer Entscheidung stand ich noch nie. Ich habe immer automatisch zu den Beliebten gehört und war mit den Beliebten befreundet, ohne dass ich irgendwelche Anstrengungen dafür unternehmen musste. So als würden wir uns auf ganz natürliche Weise gegenseitig anziehen wie Magnete. Meine besten Freunde waren immer genauso gut angesehen, von allen akzeptiert und manchmal auch bewundert wie ich. Keiner von ihnen stand irgendwie am Rand.
    In den letzten Monaten habe ich mich allerdings ganz schön verändert, glaube ich. An meinem Leben ist überhaupt nichts mehr normal, in mir drin herrscht ein Riesenchaos, ich habe praktisch alles verloren, an dem ich mich vorher so lässig festhalten konnte, und jetzt weiß ich, dass man seine Beliebtheit mit einem Schlag verlieren kann. Und dass sie einem im Ernstfall auch kein bisschen weiterhilft. Alles kann überall jederzeit in die Luft fliegen, bang .
    Das hört sich jetzt so nach stundenlangem Rumphilosophieren an, aber in Wirklichkeit sind es nur lauter kurze Gedankenblitze, denn ich habe bloß ein paar Sekunden Zeit, um meine Entscheidung zu treffen. Und die lautet: Ja. Ich setze mich auf den freien Platz zwischen Kenji und Luna und nehme in Kauf, dass ein paar langweilige, intolerante Spießer von Mitschülern mich dafür verachten. Hey, wer weiß, vielleicht macht es ja total Spaß, aus dem Rahmen zu fallen und auf der anderen Seite zu stehen!

    M onika Gerritzen kam zurück und setzte sich wieder neben mich. Wir starrten gemeinsam auf den Fernsehbildschirm. Nach ein paar Minuten sagte ich: «Meine Mutter klappt bestimmt noch zusammen.»
    Sie guckte zu mir rüber. «Du machst dir Sorgen um deine Mutter, was? Sie hat ja auch ganz schön was zu verkraften. Genau wie du. Gut, dass ihr Freunde um euch habt.»
    «Freunde?», schnaubte ich. «Meinen Sie diesen … Uwe?»
    Die Psychologin schwieg.
    «Also, ich seh den heute zum ersten Mal. Und ich hab nicht den Eindruck, dass er eine große Hilfe ist. Der kennt Nick ja nicht mal!»
    Nach einer Weile sagte sie: «Hast du dir um Nick auch Sorgen gemacht?»
    Ich war überrascht. «Gestern oder grundsätzlich?»
    «Beides.»
    «Gestern Abend hab ich gedacht, dass er sich umbringen will. Das hat sich alles so komisch angehört, was er geredet hat. Und sonst – ja, ich hab mir eigentlich immer Sorgen um ihn gemacht.»
    Sie spielte an ihrer Glasperlenkette rum. «Und was ist mit dir?»
    «Wie mit mir?»
    «Na ja – machst du dir auch mal Sorgen um dich selbst?»

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    90
    D a wir ohnehin gerade eine Doppelstunde Mathe bei unserem Klassenlehrer in Aussicht haben, greife ich noch mal auf meine gute Erziehung und mein früheres Dasein als braver Musterschüler zurück und frage den Ullrich vor Unterrichtsbeginn, ob es ihm was ausmacht, wenn ich umziehe. «Ich krieg dahinten manchmal akustisch nicht alles mit», behaupte ich.
    Ich kriege meinen Willen und richte mich auf meinem neuen Platz ein. Also, das ist vielleicht Einbildung, aber mir kommt es so vor, als wären hier ganz andere Energiefelder aktiv. So was

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