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Klausen

Klausen

Titel: Klausen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Maier
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Staatsmacht heizte sich zunehmend auf. Man interpretierte die Polizeiaktion offenbar als eine Willkürmaßnahme und als bloße Schikane der Behörden. Allerdings zeigte sich das Ausmaß der Aktion nun realistischer. Von einer Erstürmung konnte wirklich nicht die Rede sein. Es hatte zwar eine Art Razzia stattgefunden, aber das Polizeiaufgebot war bei weitem nicht so groß gewesen wie zuerst behauptet, und nennenswerte Gegenwehr oder gar eine Verschanzunghatte nicht stattgefunden. Tatsächlich waren aber einige der Ploderburgbewohner überraschenderweise auf die Wache mitgenommen worden, über die Gründe hierfür wurde heftig diskutiert. Die Ausländer besitzen bei uns keinerlei Rechte, sie sind also vogelfrei, hieß es. Der Staat zeige sein wahres Gesicht. Man dulde die sukzessive Zerstörung der gesamten Umwelt im Eisacktal bloß des Geldes wegen, aber dieser Handvoll Ausländer gegenüber werde man plötzlich von Staats wegen aggressiv. Dies sei eine Rationalisierung, eine Rationalisierung, schrie Badowsky, der plötzlich wie aus dem Nichts wieder zugegen war. Er mußte den Leuten erklären, was er mit diesem Wort Rationalisierung meinte, konnte es aber nicht, möglicherweise hatte er es einfach irgendwo aufgeschnappt. Badowsky wurde bald zu einem der Hauptredner der Veranstaltung. Er stellte sich auf einen Heuhaufen und hielt dort eine Rede gegen die Globalisierung, gegen den Imperialismus und den Faschismus, schielte dabei aber immer wieder zur Polizei hinüber, ob diese nicht vielleicht doch noch auf den Gedanken komme, ihn festzunehmen wegen der Prügelei im Brixner Hofburggarten. Leute, Demonstranten, Brixner, rief er, es ist eine Schande, was wir heute im Namen unseres Staates alles anzusehen haben. Sie haben das Geld, sie haben die Macht, wir … wir haben kein Geld, wir haben übrigens auch keine Macht, aber das scheint ihnen nicht zu reichen, sie wollen uns auch noch provozieren, denn indem sie auf diese faschistische Weise gegen unsere marokkanischenund albanischen Mitbürger vorgehen, provozieren sie uns. Mögen sie ihnen auch ins Gesicht schlagen und sie verhaften, es ist, als schlügen sie uns ins Gesicht, und wohlan, sie sollen uns verhaften, wir werden in unserem Widerstand nicht nachlassen, denn wenn wir uns erheben und gemeinsam gegen diese Barbarei vorgehen, dann werden wir ein Zeichen setzen, und diese Versammlung, Brixner, Leute, und ich sehe auch manchen Deutschen hier unter uns, diese Versammlung ist ein Zeichen. Manche klatschten Beifall, den meisten allerdings blieb unverständlich, was Badowsky überhaupt sagen wollte. Sie verstanden auch nicht, wieso Badowsky von unserem Staat sprach, obgleich er überhaupt kein Italiener und nicht einmal ein Südtiroler, sondern ein Deutscher und näher gesagt ein Westfale war. Dann folgte ein Ausfall gegen die Globalisierung. Dieser Ausfall war im Kontext der Demonstration eigentlich völlig unmotiviert, aber er fand dennoch einiges Gehör. Badowsky rief zu den verrücktesten Dingen auf. Er rief zu einem Warenboykott auf, forderte sofortige Zahlungen und einen insgesamten Schuldenerlaß für die Dritte Welt, dann forderte er ein sofortiges Verbot des Straßen- und Flughafenbaus in Europa, und am Ende forderte er sogar Zölle. Da, rief er und wies mit ausgestrecktem Arm auf die Autobahn auf der anderen Seite des Tals, da ist der Drachen, der euer Tal verwüstet und das Geld den Mächtigen bringt, schlagt diesen Drachen, zerstört den Handel, zerschlagt überhaupt alles, was sie euch diktieren etcetera . Daswaren nun allerdings, wie viele meinten, schon sehr verrückte Dinge, die er da von sich gab, im übrigen lachte er immer wieder im Verlauf seiner Ausführungen geradezu hysterisch los und schien das alles irgendwo auswendig gelernt zu haben und jetzt nachzuplappern. Aber man sah auch, wie er immer mehr von Begeisterung ergriffen wurde, er glaubte nämlich, gerade einen sehr großen Moment zu haben. Er verstieg sich auf seinem Heuhaufen immer mehr in Aufrufe zur Zerstörung dessen und dessen. Er forderte nun unter anderem, den Brixner Bürgermeister und den hiesigen Polizeichef aus dem Amt zu jagen, und als eine Bewegung durch die anwesenden Polizisten ging und diese Anstalten machten, den immer mehr durchdrehenden Redner von seinem Platz zu holen, war Badowsky plötzlich von seinem Heuhaufen herunter und auf irgendwelchen Wegen verschwunden. Auer stand betrunken im Publikum und klatschte begeistert Applaus, denn er hatte noch nie etwas so Eigenartiges

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