Klebstoff

oder so was stürzen. Ich hab nur nach jemandem gesucht.
    – Lach nicht über mich, schreit sie. – Du hast diese ganzen Pillen genommen und bist abgehauen in den Busch.
    – Ich hab bloß zu viele Drogen genommen. Ich wollte wach bleiben. Jetzt muss ich meinen Dad sehn, oh, Gott, mein armer Vater … Celeste legt die Arme um mich.
    – Wie lang ist er jetzt schon wach? fragt Helena Reedy.
    Es tut mir Leid, Helena … ich bin schwach. Ich lauf schon wieder weg. Erst hinhalten und dann vor allem Guten weglaufen: Elsa, Alison, Candice, dann vor dir. Und vor all den anderen, die ich nicht mal so nah rangelassen habe.
    – Vier Tage.
    Ich fühl mich, als wär ich wieder zu einer Person geworden. Ich denke laut: – Flughafen. Bitte. Tu es für mich, bitte! und ich hoffe, es kommt als lauter Ruf heraus.
    Er stirbt.
    Und ich lieg weggetreten im Busch auf der anderen Seite der Erde.
    Jetzt sind wir im Jeep und holpern über die Steine, die verhindern sollen, dass der alte Feldweg weggespült wird. Es ruckelt und rattert, und ich werd auf dem Rücksitz durchgeschüttelt. Ich sehe Helenas Nacken, die zu Zöpfen geflochtenen Haare.
    Schweiß perlt in ihrem Nacken, und ich spüre das fast übermächtige Verlangen, ihn abzulecken, ihn zu küssen, daran zu saugen, sie zu verschlingen, als wär ich ein verfickter Vampir, was ich wahrscheinlich auch bin, wenn auch in sozialer Hinsicht.
    Ich sträube mich, als sich die Straße gabelt und die Berge lange Schatten werfen, und glaube ne Sekunde lang voller Panik, dass wir die falsche Abzweigung genommen haben, aber Scheiße, was weiß ich schon. Die anderen scheinen völlig cool zu bleiben. Celeste Parlour bemerkt meine Ängstlichkeit und fragt: – Alles in Ordnung, Carl? Ich frag sie, ob sie Arsenal-Fan ist, und sie guckt mich an, als ob ich verrückt wär, und meint: – Nee, Brighton, Alter.
    – Die Seagulls, lächle ich. Läuft’s bei denen noch? Als ich das letzte Mal im UK war, steckten sie in Schwierigkeiten …
    Celeste lächelt mich milde an. Ich seh mich um nach Reedy mit seiner kupferroten, wettergegerbten Haut, strapazierfähig und glatt wie teures Leder. – Leeds, was, Reedy?
    – Spinnst du, Leeds, ich bin für Sheffield United.
    – Natürlich, sag ich, während wir erst auf eine weitere Schotterpiste und dann auf eine asphaltierte Straße kommen. Lucky Reedy ist klasse, ich hab’s verdient, dass man mir einen reinwürgt, bei so nem faux pas . In alten Zeiten war er einer von den Jungs. Blades Business Crewe.
    Die ganze Fahrt verläuft reibungslos. Helena fährt in einem Schweigen, das mir feindselig vorkommt, aber ich fühle mich zu schwach, um zu versuchen, es zu brechen, und Parlour und Reedy stören sich nicht dran.
    Ich nicke ein oder drifte so merkwürdig weg, bin ganz woanders, und dann werd ich schlagartig wach und spüre, wie meine Lebensgeister von weit weg wieder zurück in den Jeep springen. Wir sind auf dem Highway zum Flughafen. Eine alptraumhafte Reise, und eine noch schlimmere steht mir bevor. Aber ich muss das schaffen.
    Mein Vater stirbt, ist vielleicht schon tot. Ach, Scheiße. Was sagte Gally doch gleich, als er mir erzählt hat, dass er krank wär? Denken wir nich an ne Scheißbeerdigung, solang wir noch keinen zum Begraben haben.
    Bitte lass das nicht meinen Vater sein. Duncan Ewart aus Kilmarnock. Wie lauteten nochmal seine zehn goldenen Regeln?
SCHLAG NIEMALS EINE FRAU
STEH IMMER ZU DEINEN FREUNDEN
ARBEITE NIE UNTER TARIF
WERDE NIE ZUM STREIKBRECHER
VERPFEIF WEDER FREUND NOCH FEIND
ERZÄHL DENEN NIEWAS (D.H. BULLEN , ARBEITS AMT , SOZIALAMT , JOURNALISTEN , BEAMTEN , VOLKSZÄHLERN USW .)
LASS KEINE WOCHE VERSTREICHEN , OHNE I N NEUE PLATTEN ZU INVESTIERE N
GIB , WENN DU KANNST , NIMM NUR , WENN D U MUSS T
EGAL , OB ’S DIR GUT ODER SCHLECHT GEHT , DENK DRAN , DASS WEDER DAS GUTE NOC H DAS SCHLECHTE EWIG WÄHRT UND HEUT E DER REST DEINES LEBENS BEGINN T
SEI GROSSZÜGIG MIT DER LIEBE , ABER ZURÜCK HALTENDER MIT VERTRAUEN
    Besonders bei 2 und 8 war auf mich nicht immer Verlass gewesen. Bei den anderen hab ich mich wahrscheinlich ganz wacker geschlagen.
    Aber Reedy hat Recht. Ich rieche wie ein räudiger Köter und fühl mich auch so. Ich erinnere mich an den Kadaver eines verwesenden Dingos am Straßenrand in Queensland. Kein Auto zu sehen, meilenweit leerer Horizont. Das Scheißvieh muss sich echt blöd angestellt haben, um überfahren zu werden. Wahrscheinlich eher ein Selbstmordversuch! Kann ein Hund in seiner natürlichen Umgebung, in