Klebstoff
Wache bringen sie mich in nen Raum und lassen mich da allein. Es stehen zwei orange Plastikstühle mit schwarzen Metallbeinen drin, wie in der Schule, ein Tisch mit grüner Resopalplatte, und die Wände sind cremegelb. Ich weiß nich, wie lang ich da drin bin. Kommt mir vor wie Stunden. Ich kann an nichts andres denken als an Samstagnacht, an das Gesicht von dem Jungen, an Polmont; daran, wie blöd ich gewesen bin, dass ich das Messer gezogen hab, wie dumm, es ihm zu geben, und wie verrückt, es wieder zurückzunehmen.
Was zum Teufel hab ich mir dabei gedacht? Dreimal bescheuert in nem Zeitraum von etwa genauso vielen Sekunden.
Die zwei Polizisten betreten mit nem anderen Typ in Zivil den Raum. Er hat nen grauen Anzug an und n langes Pferdegesicht. Er hat da ne Warze auf der Nase, und ich muss einfach hingucken. Sie erinnert mich an meinen Pickel und dass ich mit nem Pickel gar nich ins Clouds hätte gehn sollen. Meine Gedanken bleiben stehn und erstarren in meinem Kopf, als der Knabe mein Messer aus so nem Beutel holt.
– Ist das dein Messer? fragt er mich. Ich zuck bloß die Achseln, aber innerlich zittre ich.
– Wir werden dir gleich die Fingerabdrücke abnehmen, Andrew, sagt der nette Polizist zu mir. – Außerdem haben wir Zeugen, die bestätigen, dass du ein solches Messer besessen hast.
Hinter dem Typ kriecht ne Fliege die Wand hoch.
– Und wir haben Zeugen, die aussagen, dass du vom Tatort weggerannt bist, und weitere, die gesehen haben, wie du etwas in die Mülltonne geworfen hast, in der wir das Messer fanden, sagt der arschige Bulle und pocht auf n Tisch.
– Was wir damit sagen wollen, Andrew, sagt der Typ in Zivil,
– ist, dass du dir die Sache leichter machen kannst, wenn du uns die Wahrheit erzählst. Wir wissen, dass es dein Messer ist. Hast du das Messer an dem Abend irgendjemand anderem gegeben?
Es war Polmont. Ich weiß nich mal, wie der Junge heißt. Polmont. Es ist, als wär er n Geist. Polmont war’s. Die werden das rausfinden. Die werden das schnallen.
– Nee … sag ich.
Der Zivile mit der Warze versucht’s nochmal. – Ich kenn deinen Vater, Andrew. Aye, er hat seinerzeit n paar dumme Sachen angestellt, aber er ist kein schlechter Kerl. So was wie das hier hätte er nie gemacht. In ihm steckt nichts Bösartiges, und ich glaube, auch in dir nicht. Ich hab den Jungen gesehen, der mit dem Messer verletzt wurde. Die Nerven in seinem Gesicht sind durchtrennt, eine Gesichtshälfte wird für den Rest seines Lebens gelähmt bleiben. Ich denke, wer immer das getan hat, in dem steckt etwas Bösartiges. Überleg dir, was dein Vater dazu sagen würde. Denk an deine Mutter, Junge, wie wird ihr zumute sein?
Meine Ma.
– Noch mal, Andrew, hast du an diesem Abend das Messer irgendwem gegeben?
Man verpfeift keinen, niemals. Die Fliege ist noch da, sie krabbelt wieder nach oben.
– Andrew? fragt der harte Bulle.
– Nee. Der Knabe mit der Warze guckt auf mich runter und atmet schnaufend aus. – Dann geht das auf deine Kappe.
Ich bin ein Trottel, ich werd einfahren, aber es gibt nichts, was ich dagegen tun könnte. Man verpfeift keinen. Aber irgendwer wird ihnen bestimmt verraten, dass es Polmont war. Sie werden mich nich einsitzen lassen, nich Doyle und der Rest von den Jungs. Sie werden’s Polmont zeigen, sie werden das richtig stellen.
Die Fliege surrt von der Wand weg.
Ich werd nich mehr der Mann im Haus sein. Es gibt keinen Mann im Haus mehr.
Meine Ma.
Scheiße, was soll meine Mutter jetzt bloß machen?
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Carl Ewart
SEXUALERZIEHUNG
– Das passiert einfach, wenn es so weit ist, sagt mein alter Herr offenkundig verlegen durch den blauen Qualm seiner Regal hindurch. Das hier war echt nicht sein Ding, aber meine Ma hatte drauf bestanden, dass er sich mit mir hinsetzt und über die Sache redet. Ihr war aufgefallen, dass ich »ganz nervös und deprimiert« wär, wie sie es ausdrückte. Für meinen armen Vater war es allerdings das Fegefeuer. Ich hatte bisher selten erlebt, dass er keine Worte fand, aber diesmal war es so.
Das passiert einfach, wenn es so weit ist. Genau das, was ich wissen wollte, vielen Dank, Dad. Ich musste nicht erst fragen: »Aye, alles klar, und wann ist es so weit?«, denn das stand mir groß und breit ins Gesicht geschrieben. Er wusste, das war Kappes, und ich wusste, es war Kappes. Sachen passieren nicht einfach, man muss dafür sorgen , dass sie passieren. Die Frage, und wir kannten sie beide, war: »Wie in Dreiteufelsnamen stellt man’s an,
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