Kleider machen Bräute
bitte noch einmal nachsehen?« Ungläubig schüttelte Molly den Kopf. Ihre Mutter würde niemals abreisen, ohne ihr Bescheid zu sagen. Warum in aller Welt sollte sie so etwas tun? Molly sah sich im Empfangsbereich um, aber ihre Mutter war nirgendwo zu entdecken.
»Sie ist vor einer Weile mit dem Herrn abgereist – Mr Foss«, fuhr die Empfangsdame fort. »Da bin ich mir sicher.«
Molly starrte die Frau sprachlos an. Pascal sah auf und runzelte die Stirn.
»Sind Sie ganz sicher?«, fragte Molly matt.
Die Empfangsdame nickte. »Wie ich schon sagte, ich bin mir sicher.«
»Wo sind sie denn bloß hingefahren?« Kalte Angst kroch ihr den Nacken hoch, als sich ein unliebsamer, verdrängter Verdacht den Weg in ihr Bewusstsein bahnte.
Die Empfangsdame sah sie mit sonderbarem Blick an und sagte dann mit sanfter Stimme: »Der Dame schien es nicht gut zu gehen.«
Ein seltsames Dröhnen breitete sich in Mollys Ohren aus. Nein! Das konnte nicht sein! Mum hatte zwar nicht gut ausgesehen, aber das war doch nur Müdigkeit gewesen, oder? Übelkeit von der Fahrt? Oder etwa nicht?
»Gibt es in Bologna ein Krankenhaus?«, flüsterte Molly.
»Ja.« Die Frau nickte.
»Ich muss hin. Sofort. Es ist ein Notfall.«
Die Empfangsdame warf ihr einen entschuldigenden Blick zu. »Aber es gibt dort keine Notfallambulanz. Es ist eine Spezialklinik für Krebsleiden.«
Auf einmal verstand Molly.
21. Kapitel
Stunden bis zur Hochzeit: 6
Kilometer bis zur Hochzeit: 163
D er Taxifahrer weigerte sich, Geld von Molly anzunehmen, nachdem sie trotz aller Anstrengung, sich zusammenzureißen, die gesamte Fahrt zum Krankenhaus über geschluchzt hatte.
»Bitte«, stammelte sie und hielt dem freundlichen Mann die letzten Euro hin, die sie in ihrer Geldbörse und auf dem Boden ihrer Handtasche gefunden hatte. »Ich muss Sie doch bezahlen, das wäre nicht richtig.«
»Gehen Sie zu Ihrer Mama«, antwortete er, ergriff ihre Hand und schloss ihre Finger wieder um das Geld. »Gott sei mit Ihnen.«
Das Beste, was Molly zustande brachte, war ein gemurmeltes »Danke«, während er die Tür des Taxis öffnete und ihr hinaushalf.
Molly stolperte in das Gebäude und versuchte, sich zu orientieren, während überall Krankenschwestern, Patien ten und Besucher umherwanderten.
Natürlich, dachte sie die ganze Zeit, natürlich ist Mum krank. Warum wollte ich das nicht sehen?
Dabei hatte sie es gesehen. Der Gewichtsverlust, die Erschöpfung, die Übelkeit im Auto. Ihre Mum hatte sich ja sogar von einem Krankenhaus abholen lassen, verdammt …
»Molly.«
Sie wirbelte herum.
»Ich dachte, wir wären wieder zurück, bevor du aufwachst.«
Molly drehte sich der vertrauten Stimme zu. Die geöffneten Hände ausgestreckt stand Simon da, das Gesicht angespannt vor Sorge.
Molly stürzte sich in seine Arme, und er hielt sie fest, als sie wieder zu weinen anfing. Sie umklammerte die weiche, grobe Wolle des Pullovers und schluchzte an seiner Brust. Simon streichelte ihr übers Haar. Dunkel dachte Molly daran, dass sie kein Recht hatte, Trost von ihm zu erwarten. Aber das war ihr egal. Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte sie sich so elend gefühlt.
»Komm«, sagte er nach einer Weile. »komm hier rüber und ich erzähle dir alles, was ich weiß.«
»Ich hätte es merken müssen!«, schluchzte Moly. »Ich … hätte es sehen müssen!«
»Nein«, beharrte Simon. »Sie wollte nicht, dass du es merkst. Komm.«
Er führte sie in die Cafeteria, einen kleinen Raum mit weißen Tischen und einer winzigen Espressobar. Sie setzten sich an einen Tisch am Fenster.
Molly schnäuzte sich und holte ein paar Mal tief Luft.
»Wie geht es ihr?«, fragte sie, unfähig, Simon anzusehen.
»Ganz gut. Der Arzt ist gerade bei ihr«, antwortete Simon. »Wir müssen einfach abwarten.«
»Ist sie zusammengebrochen oder so?«, fragte Molly.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, nichts in der Art. Sie wird lediglich gründlich untersucht.«
Molly legte den Kopf in die Hände. Von all ihren Empfindungen war Schuld das stärkste Gefühl. »Warum hat sie mir nichts gesagt?«
Simon legte ihr eine Hand auf den Arm. »Sie wollte bis nach der Hochzeit warten. Aber gestern Nacht habe ich sie auf dem Flur getroffen, nachdem ich von dir … weg bin. Sie war zu erschöpft, um den Schlüssel ihrer Zimmertür umzudrehen.«
»Oh!« Molly schlug sich die Hand vor den Mund.
»Ich hatte schon so etwas vermutet«, fuhr Simon fort. »Eine Freundin von mir kämpft auch gegen den Krebs, deshalb kenne ich die
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