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Kleider machen Bräute

Kleider machen Bräute

Titel: Kleider machen Bräute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Hepburn
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und es schien so verdammt lange her zu sein, dass jemand zärtlich zu ihr war.
    Warum log sie sich in die Tasche? Sie mochte Simon wirklich. Und sie hatte diesen Kuss gewollt.
    Seufzend erhob sie sich vom Bett. Mit Simon etwas anzufangen, wäre eine ziemlich dumme Idee, sagte sie sich. Sehr wahrscheinlich war er im Grunde genauso wie Reggie, mit seinen glamourösen Filmstars und diesem Hunger nach Ruhm und Anerkennung. Filmfestivals! Damit würde sie der Geschichte glatt erlauben, sich zu wiederholen!
    Sie durchquerte das überheizte Zimmer, ging ins Bad und ließ Wasser in die Wanne laufen. Währenddessen zerbrach sie sich den Kopf, was sie als Entschuldigung zu Simon sagen konnte, wenn sie ihn wiedersah. Sie ging zurück zum Bett und schaltete den Fernseher ein, um ein paar Hintergrundgeräusche als Gesellschaft zu haben.
    Träge zappte sie durch die Kanäle, hoffte auf etwas Anspruchsloses, möglichst auf Englisch.
    Und wäre vor Schreck in Ohnmacht gefallen, als auf dem Nachrichtensender plötzlich ein attraktives und vertrautes Gesicht auftauchte.
    War das etwa Simon?
    Er war es. Er wurde in einem Londoner Fernsehstudio interviewt. Sein Haar war kürzer und die Haut sonnengebräunt, aber zwei Dinge waren unverändert: Dieses markante Gesicht mit den freundlichen Augen und das ausgeprägte Kinn ließen Mollys Herz aus dem Takt geraten. Und – er trug Yvonnes Pullover!
    Molly brach förmlich auf dem Bett zusammen, die Augen auf den Bildschirm geheftet.
    »Ich bin nach Kambodscha gereist, um mir mit eigenen Augen die Zustände in diesen Textilfabriken anzusehen«, sagte Simon. »›Ausbeutungsbetrieb‹ schien mir so ein lahmer Begriff. Ich wollte Zeit dort verbringen und mir selber einen Eindruck von Bekleidungsproduktionen an Orten wie diesen verschaffen.«
    Es wurde ein Ausschnitt aus Simons Dokumentation eingeblendet. Gezeigt wurde eine große Lagerhalle, in der, so weit das Auge reichte, Frauen mit ausdruckslosen Gesichtern über Nähmaschinen gebeugt saßen. Mit flinken Händen nähten sie ganze Berge an T-Shirts mit bekannten Sportlogos.
    »Die Arbeitszeit ist lang und anstrengend. Nur alle vier Stunden dürfen die Frauen eine kurze Pause machen. In der Halle ist es erstickend heiß. Die Luft ist voller Staub, Schmutz und Stofffasern. Die Bezahlung reicht kaum für den Lebensunterhalt. Ich habe eine Frau kennengelernt, die mir erlaubte, ihre Geschichte zu filmen.«
    Molly zog die Luft ein, als die Kamera nah an das freundliche Gesicht einer älteren Dame heranfuhr, die in der Lagerhalle zwischen den anderen Frauen saß und nähte.
    »Ist sie das?«, fragte die Reporterin.
    Gebannt sah Molly zu, während Simons Stimme aus dem Off erklärte, was in diesen trostlosen Szenen aus der Fabrik zu sehen war.
    »Ja. Das ist Yvonne. Sie ist eine dreiundsechzigjährige Witwe und hat ihr Leben lang in Fabriken wie dieser ge arbeitet. Sie sieht nicht mehr gut, leidet unter chronischer Gelenkarthritis und ihr Lohn reicht kaum zum Überleben.«
    Molly schlug sich die Hand vor den Mund. Das war also Yvonne. Diese arme, zerbrechliche Frau, deren liebes, faltiges Gesicht von lebenslangem Kampf und Elend erzählte. Und Molly hatte sie für einen glamourösen Filmstar gehalten … eine Rivalin. Mollys Wangen brannten vor Scham.
    »Yvonne ist nicht dumm. Sie hat eine Schule besucht und hätte durchaus studieren können. Ihr Traum war, Dolmetscherin zu werden. Aber ihre Eltern starben und sie musste arbeiten, um ihre Geschwister zu unterstützen. Seither hat sie in Fabriken T-Shirts genäht.«
    Das Fabrikgebäude war heruntergekommen, der Lärm der Maschinen ohrenbetäubend. Streng dreinblickende Männer patrouillierten durch die Reihen der Näherinnen. Sie hätten ebenso gut Peitschen schwingen können, so bedrohlich wirkten sie.
    Molly lief schnell ins Bad, um das Wasser abzustellen, bevor es eine Überschwemmung gab. Dann hechtete sie zurück an den Fernseher.
    »… hat gesundheitlich einen schrecklichen Preis bezahlt.«
    »Konnten Sie ihr helfen?«, fragte die Reporterin Simon.
    »Ich habe mein Bestes getan. Ich habe sie nach Europa gebracht, um die Meinung eines Spezialisten einzuholen.«
    Molly hatte Tränen in den Augen. Gespannt wartete sie darauf, was er als Nächstes sagen würde. Er und Yvonne saßen im Schneidersitz auf dem Boden vor der Fabrikhalle, und Yvonne unterhielt sich mithilfe eines Übersetzers mit Simon. Dann gab es einen Schnitt auf Simon und Yvonne, wie sie aus einem Flugzeug stiegen, anschließend sah

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