Kleider machen Bräute
konnte sie sich nicht verkneifen. Sie wollte den weltmännischen Francesco auf den Anblick einer Frau vorbereiten, die nicht erst zwei Stun den bei ihrem Stylisten verbrachte, bevor sie dem Tag ins Auge sah.
»Die Wright-Damen sind allesamt wunderschön.« Sie hörte die Zuneigung in seiner Stimme und merkte zu ihrer Überraschung, dass sie anfing, ihn zu mögen. Was für ein Charmeur! »Und bitte, sag Caitlin nichts.«
»Käme mir nicht im Traum in den Sinn«, versicherte Molly und legte auf. Dann ging sie unter die Dusche und hoffte aus ganzem Herzen, dass Francesco sie nicht darum bitten wollte, Caitlin zu sagen, die Hochzeit sei endgültig geplatzt.
*
Die Wegbeschreibung war hoffnungslos. Nur mit einem Stadtplan und ein paar hingekritzelten Straßennamen ausgerüstet sowie dem Wissen, dass das Hotel »oben auf einem Berg« lag, kurvte Molly mit dem Cinquecento durch das gnadenlose Straßennetz von Bologna. Bis sie sich schließlich am Stadtrand wiederfand, eine einspurige Straße hinauffuhr und einem ausgeblichenen, handgemalten Schild mit der Aufschrift »Hotel 2 km« folgte. Die Strecke kam ihr jedoch wesentlich länger vor. Die Straße war steil und holprig. Molly fragte sich, ob sie auf einen Hinterhalt zusteuerte.
Als sie gerade schon aufgeben und wieder umkehren wollte, passierte sie ein zweiflügliges hölzernes Tor und schlängelte sich über eine Zufahrt zu einem Gebäude hinauf, das aussah wie ein altes italienisches Bauernhaus, abgesehen von dem Holzschild über der Eingangstür: »Hotel Giulia, Familienbetrieb seit 1890.«
Das Haus wirkte so einladend, dass Molly lächeln musste. Die Mauern waren in Zartrosa gestrichen, perfekt abgestimmt auf die schiefen Dachziegel aus Terrakotta. Durch die von robusten Holzläden eingefassten Fenster drang sanfte Innenbeleuchtung, die Molly geradezu dazu aufforderte hereinzukommen und sich auszuruhen.
Sie parkte den Wagen vor dem Haus, stieg aus und klopfte sich den Staub ab. Verlegen wünschte sie, etwas Eleganteres anzuhaben als Jeans und Flipflops.
Das hatte sie nicht erwartet. Francesco Marino gehörte doch wohl zu der Sorte, die in Fünf-Sterne-Hotels mit Marmorbädern und gläsernen Aufzügen abstieg. Hier dagegen schien der hübsche Garten kurz davor, den Kampf gegen die umliegenden Grasflächen zu gewinnen und sich noch weiter auszubreiten. Schlanke Zypressen neigten sich im Wind, als wiesen sie in Richtung der weit entfernten Stadt.
Francesco war nirgendwo zu sehen. Aber es war eindeutig richtig – hier oben gab es wohl kaum zwei Hotels mit dem Namen Giulia.
Zaghaft ging sie auf die Eingangstür zu und trat ein.
»Hallo?«
Nichts. Im Eingangsbereich war es dunkel, doch im Kamin neben der Tür brannte ein einladendes Feuer und tauchte den Raum bis hinauf zu der hohen Holzbalkendecke in ein angenehmes Licht. In einiger Entfernung hörte Molly das Klappern von Töpfen, vermutlich aus der Küche. Prachtvolle, duftende Blumen waren kunstvoll in einer großen Vase auf einem alten Beistelltisch aus Eiche arrangiert, und auf dem aufgesplitterten Marmorboden waren wie nach dem Zufallsprinzip verschossene Läufer verteilt.
Es war wunderhübsch. Molly konnte keinen Anmeldetresen wie in ihrem Hotel in der Stadt entdecken, mit einer missbilligenden Matrone dahinter, die jeden Schritt der Gäste überwachte. Dies hier glich eher einem äußerst gemütlichen Privathaus.
Caitlin würde einen Ort wie diesen lieben, dachte Molly, während sie über ein tiefrotes Samtsofa strich und dabei Acht gab, nicht die fuchsrote Katze zu stören, die zusam mengerollt auf einem Kissen schlief. Dieser Ort war ein fach und gemütlich, aber lebendig, und hatte das gewisse Etwas. Zusammengewürfelt und trotzdem harmonisch – genau das, was sie auch in ihren Entwürfen anstrebte. Und die Lage war schlichtweg atemberaubend.
Molly ging weiter bis zum Essbereich, betrachtete die mit weißen Leintüchern bedeckten Eichentische, die schimmernden Gläser und die Gartenblumen in altmo dischen Milchkannen auf den Tischen. Irgendjemand hier hatte ein Händchen für Gestaltung. Während sie sich die schwarz-weißen Familienfotos an den Wänden ansah, hoffte sie, dass Francesco Caitlin eines Tages hierherbringen würde.
»Hallo?«, rief sie.
Noch immer nichts.
Allmählich wurde es seltsam. Francesco wusste doch, dass sie hierher unterwegs war. Verstohlen suchte Molly die Decken und Vorhänge nach versteckten Kameras ab. Eigentlich hielt sie Francesco zwar nicht für einen Spaßvogel,
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