Kleider machen Bräute
»Caitlin hält uns in den letzten Wochen ganz schön auf Trab, wie?« Sie hörte nur mit einem Ohr zu, denn plötzlich musste sie an Reggie denken. Ihre Mutter ahnte ja nicht, dass er die Beziehung beendet hatte. Ob sie es ihr erzählen sollte?
Nein, entschied Molly, nicht jetzt. Die nächsten Tage gehörten allein Caitlin. Außerdem wollte Molly noch einmal darüber schlafen. Vielleicht würde sie es ihrer Mutter erzählen, wenn sie leibhaftig vor ihr stand und Molly sicher sein konnte, ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu haben. Molly würde so tun, als sei alles in schönster Ordnung. Außerdem würden alle so mit Caitlin und der Hochzeit beschäftigt sein, dass ihr ohnehin niemand viel Beachtung schenkte. Und wenn alles vorbei war, konnte sie still und leise zusammenbrechen. Das schien ein guter Plan zu sein.
»Wie ist es in Paris?«, fragte ihre Mutter.
»Wenigstens du erinnerst dich daran, dass ich hier bin«, konnte sich Molly nicht verkneifen. »Caitlin ist momentan so mit sich selbst beschäftigt, dass sie es ganz vergessen hatte.«
»Du musst ihr das nachsehen.« Ihre Mutter seufzte. »Sie heiratet in vier Tagen und ist mit den Gedanken woanders.«
Mollys Laune sank auf den Nullpunkt. Da war es wieder, ihre Mutter ergriff Partei für Caitlin. Molly ließ sich auf das goldene Sofa fallen und rieb sich über die Stirn.
»Vermutlich.« Tief Luft holen und dann los. »Hör zu Mum, hier ist etwas Schreckliches passiert.«
»O nein, was denn?«
»Es geht um das Kleid«, antwortete Molly und wartete auf die explosionsartige Reaktion.
»Aha?«
»Als der Kurier es abholen wollte, war es noch nicht fertig. Caitlin ist ausgeflippt, sie dachte schon, sie müsste in Jeans heiraten!«
»Nun, das wird wohl kaum passieren, oder?« Die Stim me ihrer Mutter klang geduldig, beinahe gelangweilt.
»Jedenfalls war sie in ziemlicher Panik, aber ich habe angeboten, das Kleid abzuholen und morgen mit nach Venedig zu bringen.«
»Na, wenn das kein Glücksfall ist. Das ist sicher die beste Lösung.« Ihre Mutter schien nicht sonderlich beeindruckt von Mollys Heldentat. »Wie gut, dass du mit Reggie gerade dort bist. Wie geht es ihm übrigens?Hast du ihn mit deinem Sightseeing in Sachen Mode schon zu Tode gelangweilt?«, neckte sie Molly.
Getroffen vom mangelnden Interesse ihrer Mutter, wollte Molly schon ihre Meinung ändern und erzählen, dass sie den Laufpass bekommen hatte und dies eine Menge Unannehmlichkeiten für ihre Schwester bedeutete …
»Paris ist wunderschön«, sagte sie stattdessen und tat so, als hätte sie die Frage überhört. »Aber du errätst nie, wo ich gerade bin.«
Die Antwort kam prompt. »Auf dem Eiffelturm?«
»Nein!«
Molly wartete darauf, dass ihre Mutter es noch einmal versuchte, aber sie war offensichtlich nicht in der Stimmung. »Ich bin in Delametri Chevaliers Geschäft!«
Sie schwieg, um ihrer Mutter Zeit zu geben, darauf zu reagieren. Aber nichts passierte. Ernüchtert fuhr Molly fort: »Sein Assistent sucht gerade nach dem Kleid.«
Immer noch keine Reaktion.
»Es ist anscheinend verschwunden. Und ich weiß nicht, was ich machen soll.«
Nichts.
»Sie können es nirgendwo finden. Caitlin wird einen Anfall bekommen.«
»Ich bin sicher, dass es wieder auftaucht.«
»Mum! Und wenn nicht? Es ist eine Katastrophe!«
Sie hörte, wie ihre Mutter verächtlich schnaubte. »Das wäre nicht das Ende der Welt, oder? Falls es verloren ge gangen ist, was ich nicht glaube, kann Caitlin sich morgen in Venedig bestimmt ein neues Kleid kaufen. Irgendwo werden wir schon ein hübsches weißes Kleid auftreiben.«
»Mum!« Genauso gut hätte ihre Mutter vorschlagen können, junge Hunde zu töten, um sich aus deren Fell ein neues Kleid zu schneidern. »Wie kannst du so etwas sagen?«
»Es ist nur ein Kleid, Liebes.«
»Nur ein Kleid?! Mum! Es ist ein Modell…«
»Es gibt weitaus Wichtigeres im Leben als Mode, Molly!«
Das hatte gesessen. Wenn sich ihre Mutter abfällig über das äußerte, womit Molly Karriere machen wollte, war das wie ein Messerstich ins Herz. Sie wagte nicht zu sprechen. Und als ihre Mutter schließlich das Schweigen brach, war ihr Tonfall versöhnlich.
»Molly, Liebes, das habe ich nicht so gemeint. Ich bin eben … nervös wegen der Hochzeit. Das ist alles.«
Das war Molly neu. »Tatsächlich? Das sieht dir gar nicht ähnlich. Wann fährst du nach Venedig?«
»Morgen, hoffentlich.«
Hoffentlich? Als hätte sie erst noch etwas Wichtigeres vor? Aber Molly ließ das
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