Kleider machen Bräute
Darauf bestehe ich.«
»Er sagt, jedes Stück muss perfekt sein«, murmelte Molly und rutschte unbehaglich hin und her.
»Jedes Stück ist perfekt«, zischte Pascal. »Wie wir beide wissen.«
»Mademoiselle«, sagte Delamtri Chevalier mit betont tieferem Timbre, »mein Assistent wird Sie auf diese Reise begleiten. Für Francesco Marino und seine Braut gehe ich keine Kompromisse ein.«
Was für ein Anspruch! Es haute Molly förmlich um, dass einer der berühmtesten Modeschöpfer alles Erdenkliche dafür tat, dass ihre Schwester am Hochzeitstag perfekt aussah.
Pascal nahm Molly das Telefon behutsam aus der Hand, schlich ans andere Ende des Raums und begann in lautem Flüsterton mit seinem Arbeitgeber zu streiten. Molly und Annabelle sahen sich verlegen an.
Das Ergebnis war offensichtlich. Pascal knallte das Telefon auf den Tisch, marschierte zum Mantelständer und riss einen kleinen Filzhut sowie einen Regenschirm von einem der Haken.
»Ich gehe«, sagte er steif.
Annabelle hatte den Schlüssel aus dem Sekretär geholt und reichte ihn ihm.
Pascal wandte sich an Molly. »Ich kann mich nur entschuldigen für die Szene, die Sie soeben miterleben mussten.«
»Keine Sorge«, erwiderte sie. »Ich freue mich einfach nur, hier zu sein – und danke, dass Sie mein Kleid repariert haben. Das war sehr nett von Ihnen.«
»Nicht der Rede wert. Ich werde nicht lange brauchen.«
Er ging zur Tür. Molly trat einen Schritt vor. »Dürfte ich vielleicht mitkommen?«
Er sah sie überrascht, aber nicht unfreundlich an. »Mademoiselle, ich halte es für besser, wenn Sie das nicht tun. Ich habe gemerkt, dass Sie ein großer Bewunderer … dieses Labels sind und …«
Verlegen brach er ab und wandte sich der Tür zu. Mollys Gesicht begann zu glühen. Was er gemeint hatte, war: Auf keinen Fall biete ich einer verrückten kleinen Verehrerin wie Ihnen eine Privatführung durch Delametri Chevaliers Wohnung – lassen Sie mich in Ruhe!
»Sie fliegen morgen nach Venedig?«
Molly nickte.
»Morgens?«
Wieder nickte sie und kam sich unerklärlicherweise so vor, als hätte sie etwas verbrochen.
»Würden Sie Annabelle bitte Ihre genauen Flugdaten geben? Wir treffen uns am Flughafen Charles de Gaulle.«
»Okay.« Molly fühlte sich mehr als nur ein bisschen verunsichert durch seinen berufsmäßigen Umgang mit ihr. Die Aussicht, den ganzen Tag in Gesellschaft dieses seltsamen, wütenden Mannes zu verbringen, war deprimierend. Währenddessen rasselte Pascal Anweisungen für Annabelle herunter, die dastand wie eine geduldige alte Kinderfrau in Gesellschaft zweier launischer und übermüdeter Kinder, und alles auf ihren teuer aussehenden Notizblock schrieb.
Und dann, mit theatralischem Zusammenknallen der Hacken und einer leichten Verbeugung in Richtung der Damen, stolzierte Pascal durch die Tür.
»Vergessen Sie nicht, seine kleine Mimi zu füttern«, rief Molly ihm nach, bevor sie sich wieder Annabelle zuwandte und niedergeschlagen mit den Schultern zuckte.
»Wer ist eigentlich Mimi?«, fragte sie und dachte, was für ein wunderbares Detail das in ihrer Abschlussarbeit gewesen wäre.
»Sein Sittich«, antwortete Annabelle. »Ein schmutzstarrender, unflätiger Vogel.« Sie reichte Molly Stift und Papier. »Ihre Flugdaten, wenn Sie so nett wären?«
Während Molly für Annabelle die Einzelheiten aufschrieb, spürte sie Nervosität in sich aufsteigen. Morgen würde sie mehr als 1000 Kilometer weit reisen und in weniger als drei Tagen konnte sie bei einer professionellen Anprobe zusehen. Was für eine Erfahrung für eine angehende Modeschöpferin!
4. Kapitel
Stunden bis zur Hochzeit: 54
Kilometer bis zur Hochzeit: 1 1 40
S ind Sie sicher? Unter dem Namen Reggie Pine? R-e-g-g…«
Die Angestellte hinter dem Flugschalter verzog ge nervt den Mund. Ihre perfekt gestylte, weißblonde Frisur bewegte sich kein bisschen, als sie energisch den Kopf schüttelte.
»Mademoiselle, ein Irrtum ist ausgeschlossen. Unter diesem Namen wurde kein Ticket gebucht. Und wir hatten in den letzten Tagen auch keine Stornierungen für diesen Flug.«
»Verstehe. Danke.«
Obwohl es noch früh am Morgen war, füllte sich der Flughafen bereits. Die Schlange hinter Molly wurde länger. Sie warf einen Blick über die Schulter und seufzte. Schweren Herzens checkte sie ein und verließ den Schalter. Sie fühlte sich wie ausgehöhlt. Reggie hatte nie ein Flugticket nach Venedig erstanden. Wie lange hatte er schon vorgehabt, sie in Paris abzuhängen und in die
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