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Kleider machen Bräute

Kleider machen Bräute

Titel: Kleider machen Bräute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Hepburn
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aus, als würde man hier jeden Moment Feierabend machen, sogar Pascal und seine Kidnapper waren verschwunden. Vermutlich setzten sie das Verhör irgendwo an einem weniger öffentlichen Ort fort.
    Wenig später war die Gepäckausgabe wie ausge storben.
    »Hallo?«, rief Molly in die Leere hinein. »Kann mir hier jemand helfen? Bitte?«
    Sie ließ die Koffer stehen und lief vom einen Ende des Raums zum anderen, auf der Suche nach jemandem, den sie mit einer Tirade überziehen konnte. Gerade wollte sie noch einmal rufen – diesmal so laut sie nur konnte –, als ein kleingewachsener, älterer Gepäckabfertiger die Tür neben dem Förderband aufstieß und in Richtung Cafeteria schlurfte.
    »Gott sei Dank!« Molly lief los und kam knapp hinter ihm zum Stehen. »Sprechen Sie Englisch?«
    Der Mann hob die Hand und signalisierte durch ihr abwägendes Hin- und Herwackeln: »Ein bisschen.«
    Die Worte sprudelten nur so aus Molly heraus. »Ich warte auf ein Hochzeitskleid, das in der Maschine aus Venedig war, die hierher umgeleitet wurde. Aber das För derband ist stehen geblieben, und alle sind verschwunden, und die Klappe ist zugefallen, und ich weiß nicht, ob noch mehr Gepäckstücke kommen, aber danach sieht es nicht aus …«
    »Stopp!« Der Mann hob die Hand, um den Wortschwall einzudämmen. »Langsam, bitte.«
    »Ich muss ein Hochzeitskleid finden. Es hätte durch diese Klappe kommen müssen.« Sie zeigte mit dem Finger auf die Gepäckluke und wiederholte: »Hochzeits kleid!« Dann zeichnete sie in der Luft die Konturen eines langen, voluminösen Kleides mit Schleier nach und summte den Hochzeitsmarsch.
    Der Mann schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern.
    »Alles fertig«, sagte er nur. Dann wandte er sich ab und schlurfte davon.
    »Wie bitte?« Molly spürte, wie etwas in ihr »Klick« machte. »O nein, keineswegs!« Sie lief hinter dem Mann her, ergriff seinen Arm und hielt ihn fest. Er drehte sich zu ihr um.
    »Ein Hochzeitskleid!«, schrie sie. »Ein großer weißer Kleidersack? Bitte! Es ist wirklich wichtig!«
    Der Mann starrte auf die Hand an seinem Arm. »Bitte, nicht schreien«, sagte er.
    »Ich schreie nicht!«, brüllte Molly. Dann holte sie tief Luft. »Dies ist ein Notfall.«
    »Mademoiselle, bitte beruhigen«, sagte der Mann steif und hob abwehrend die Hände. »Ist alles fertig«, wiederholte er. »Koffer sind weg. Sie gehen müssen.«
    »Nein!«
    »Doch!« Er zeigte zum Ausgang. »Verlorenes Gepäck Sie müssen sagen da!«
    »Verlorenes Gepäck? Der Flughafen ist gar nicht groß genug, um hier etwas zu verlieren.« Sie starrten einander an. Molly atmete schwer und fühlte sich wütender und hilfloser als je zuvor in ihrem Leben. »Sie werden nicht … werden nicht … werden nicht …« Zu ihrem Entsetzen merkte sie, dass sie keinen Satz mehr herausbekam. Sie konnte nicht einmal weinen. Offensichtlich hatte sie jegliche Kontrolle über ihren Körper verloren. Sie ruderte mit den Armen, versuchte mit windmühlenartigen Bewegungen Luft in ihr Gehirn zu pumpen, damit sie einen vernünftigen Satz zustande brachte. Der Gepäckabfertiger sah sie beunruhigt an. Und zeigte nicht mehr länger Richtung Ausgang.
    »Ich … Sie … ich …« Noch immer wollten die Worte nicht kommen. Molly wirbelte herum, ihr Blick richtete sich auf die Tür neben dem Förderband, und ohne über die Konsequenzen nachzudenken, marschierte sie darauf zu.
    »Mademoiselle!«
    Molly blieb stehen und wandte sich zu ihm um. »Ich verspreche, dass ich nichts stehlen werde.«
    Der Gepäckabfertiger seufzte. »Bitte nicht!« Er hob warnend den Zeigefinger.
    »Nur ein kurzer Blick?«, flehte Molly. Langsam näherte sie sich der Tür, durch die der Mann gekommen war und drückte verstohlen die Klinke.
    »Zutritt verboten!«, rief der Gepäckabfertiger.
    Aber die Tür war ohnehin abgeschlossen. Verzweifelt sah Molly sich um. Jetzt gab es nur noch eine Möglichkeit.
    Das Förderband.
    »Tut mir leid«, sagte Molly schulterzuckend. »Aber anscheinend bleibt mir keine andere Wahl.«
    Bevor der Gepäckabfertiger auch nur Gelegenheit hatte, etwas zu unternehmen, kletterte Molly auf das leere Band und balancierte in Richtung Luke.
    »Mademoiselle! Zwingen Sie mich nicht, auch hinaufzukommen! Das ist gegen Vorschriften! Ich rufen Polizei!«
    Molly bekam das Gezeter des Gepäckabfertigers und seine Rufe nach dem Sicherheitsdienst nur undeutlich mit. Mit einem letzten, verzweifelten Blick über die Schulter ließ sie sich vor der Luke auf die

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