Kleider machen Bräute
eine Lösung finden.«
Schweigend behielten sie das quietschende Förderband im Auge. Zwanzig Minuten später dünnte die Menge davor langsam aus. Nur eine Handvoll Passagiere warteten noch. Und noch immer hatte Molly kein vertrautes Gepäckstück entdeckt.
Das Förderband ächzte gequält, als noch ein fremder Koffer durch den Plastikvorhang herausbefördert wurde.
»Ist Yvonne schon in Venedig?«, fragte Molly so unschuldig wie möglich.
»Ja, sie ist in unserem Hotel«, antwortete Simon.
»Wie schön. Ich nehme an, sie spielt in dem Film mit?«
Er schien überrascht, dass sie etwas derart Naheliegendes fragte. »Natürlich! Yvonne ist der Star. In jeder Hinsicht.«
»Großartig.«
»Ich bin so froh, dass ich sie gefunden habe«, sagt Simon mit sehnsüchtigem Lächeln. »Sie hat mein gesamtes Weltbild verändert.«
Molly musste schlucken. »Großartig«, sagte sie noch einmal.
Simon war jetzt in Fahrt. »Ich weiß, es ist ein Klischee, aber kennen Sie den Spruch ›Jemand bringt einen Raum zum Strahlen‹?«
»Was Sie nicht sagen! Das tut Yvonne?« Molly spürte, wie ihre Mundwinkel im Bemühen, ihr charmantes Lächeln aufrechtzuhalten, zitterten.
»Das tut sie.«
»Nun, sie ist eine glückliche Frau.«
»O nein, glauben Sie mir, ich bin der Glückliche«, widersprach Simon. »Meine Güte! Sieh sich einer das an! Welcher Lackaffe wirft denn für einen Koffer so viel Geld zum Fenster raus?!«
Der unverwechselbare, dunkelblaue Saffianlederkof fer mit Monogramm aus der Delametri-Chevalier-Cruise- Kollektion war soeben verkehrt herum und unsanft auf das Laufband gepoltert.
Molly warf Simon ihren besten Killerblick zu und eilte nach vorn, um sich den Koffer zu schnappen, bevor es sich die Gepäckabfertiger anders überlegten und das gute Stück wieder zurückholten.
»Ups«, sagte Simon.
»Er gehört Pascal.« Molly lächelte. »Diese Qualität hält ein Leben lang. Die ist jeden Penny wert.«
Unmittelbar dahinter folgten Mollys weitaus weniger glamouröser roter Rollenkoffer und Simons machomäßiger, khakifarbener Leinenrucksack, der schon reichlich mitgenommen wirkte und von einem Gummiband zusammengehalten wurde. Molly erinnerte sich an etwas, das ihre Großmutter immer gesagt hatte: Kaufe billig und du musst es doppelt kaufen. Sie war versucht, Simon das als Retourkutsche für seine Bemerkung über Pascals Koffer ins Ohr zu flüstern. Aber sie hielt sich im letzten Moment zurück.
Das Laufband wurde langsamer.
»Unsere waren wohl die Letzten.« Simon seufzte. »Das war wohl die Rache für den Krawall im Flugzeug.« Er wuchtete sich den Rucksack über die Schulter. »Das war’s dann.«
Bestürzt wurde Molly klar, dass der Moment gekom men war, sich von ihm zu verabschieden. Sie kannten sich erst seit wenigen Stunden, und trotzdem war sie unschlüssig, was sie sagen sollte.
»Sieht so aus.« Sie lächelte, und schon wieder schoss ihr die Röte in die Wangen.
»Erwarten Sie noch mehr Gepäckstücke?«
Molly schüttelte den Kopf. »Nur noch eins. Das Hoch zeitkleid meiner Schwester.«
»Gut.« Simon wandte sich zum Gehen. »Falls morgen ein Flug geht, sehen wir uns vielleicht. Wenn nicht, war es jedenfalls nett, Sie kennengelernt zu haben, Molly.«
Ein wenig hilflos streckte er die Hand aus, und Molly ergriff sie verlegen. »Ebenso, Simon.«
Und dann schlenderte er in Richtung Wartelounge davon.
»Tschüss«, sagte Molly leise, als er aus ihrem Blickfeld verschwand.
Dann bemerkte sie, dass das Förderband so langsam ge worden war, als wolle es jeden Moment anhalten, und musste gegen eine aufsteigende Angst in sich ankämpfen.
Und dann kam das Band tatsächlich zum Stehen.
Ich bin nicht beunruhigt, sagte sie sich. Kein bisschen . Aber sie spürte, dass ihr Herz schneller schlug.
Die Gepäckluke schlug zu.
»Neeeiiiin!«, ertönte irgendwo im Gebäude ein Schrei, bis Molly begriff, dass sie es war, die ihn ausgestoßen hatte. »Ich hab’s geahnt! Ich hab’s doch gewusst!«, brüllte sie niemand Besonderen an. »Diese verdammte Fluggesellschaft! Wenn innerhalb der nächsten zehn Sekunden nicht jemand hier auftaucht und mir das Hochzeitskleid meiner Schwester auf dem Silbertablett serviert, dann werde ich echt ungemütlich!« Sie wurde so laut, dass die Leute in ihrer Nähe anfingen, einen Bogen um sie zu machen. Allein und hilflos stand Molly neben dem reglosen Förderband. Während sich die Panik wellenartig in ihrem Körper ausbreitete, blickte sie sich suchend um. Es sah fast so
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