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Kleider machen Bräute

Kleider machen Bräute

Titel: Kleider machen Bräute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Hepburn
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hast es mal wieder geschafft.«
    Da war es. Molly spürte, wie sie innerlich schrumpfte, ein Gefühl, das sie ihre gesamte Kindheit über gekannt hatte. Eine Welle der Hilflosigkeit stieg aus ihrer Magengrube auf und weckte den Wunsch, sich im Schneidersitz auf den Boden zu hocken und zu loszuheulen.
    »Ich kann doch nichts dafür«, flüsterte sie, erschrocken, wie dünn ihre Stimme klang.
    »Natürlich nicht. Hast du das nicht auch am Abend meines Abschlussballs gesagt? Das war auch wichtig für mich, ach … was soll ich denn jetzt machen?«
    »Es tut mir leid, Cait«, war alles, was Molly einfiel. »Cait? Hallo?«
    Sie konnte nicht fassen, dass Caitlin einfach aufgelegt hatte. Wütend drückte Molly auf Wahlwiederholung, überlegte es sich dann aber anders und unterbrach die Verbindung. Bei Streitereien mit ihrer großen Schwester zog sie immer den Kürzeren; die Chancen, ihre Seite der Geschichte verständlich zu machen, waren im Augenblick gleich Null.
    Molly ließ sich auf einen orangefarbenen Plastikstuhl fallen und fühlte sich noch jämmerlicher als nach dem Desaster mit Reggie. Du meine Güte! War das tatsächlich erst gestern gewesen?
    Fast auf den Tag genau vor vierzehn Jahren hatte Caitlin aufgeregt ihrem Abschlussball an der Highschool entgegengesehen. Molly, damals erst zehn Jahre alt, war fast genauso aufgeregt gewesen wie ihre große Schwester, nur dass ihre Aufregung nichts mit Tanzen, Make-up oder Jungs zu tun hatte.
    Caitlins neues Kleid war das Schönste gewesen, was Molly je in ihrem Leben gesehen hatte. Das kirschrote Seidenkorsett war mit winzigen Pailletten verziert, und der Seidenrock wurde von mehreren pinkfarbenen Tüll schichten getragen, die ihm »Stand« verliehen, wie Molly es von den Kleidern aus ihren Märchenbüchern kannte.
    Molly hatte immer gern Modenschau mit ihren Puppen und Teddys gespielt, sie in Bräute und Supermodels verwandelte, aber dieses Kleid war etwas völlig anderes. Molly war davon überzeugt, dass es der Anblick dieses Kleids gewesen war, der sie darauf brachte, ihr Leben mit Mode verbringen zu wollen.
    Die großgewachsene, strohblonde Caitlin sah wunderbar darin aus. Aber Molly, wie berauscht von der Schönheit des Kleids und geradezu davon besessen , behilflich zu sein, hatte beschlossen, ihre Schwester damit zu überraschen, indem sie dieses Kleid noch ein bisschen besonderer machte. Also stand sie mitten in der Nacht auf und arbeitete stundenlang im gespenstischen Schein der Schreibtischlampe. Mit einer dicken Stopfnadel und grüner Wolle aus dem Strickkorb ihrer Mutter verband sie die Pailletten miteinander.
    Wie eine ganz besondere Halskette , hatte sie gedacht.
    Damit der märchenhafte Tüllunterrock besser zur Geltung kam, hatte sie einen breiten Streifen vom Saum abgeschnitten, ihn zu einer großen Rosette geformt und an die Taille geheftet, und dies schlauerweise – wie sie fand – mit dem schweren Tacker, den sie in der Schreibtischschublade gefunden hatte. Als krönenden Abschluss sozusagen hatte sie mit ihrem Klebestift aus dem Kunstunterricht Längsstreifen auf dem Rock gezogen und diese mit Glitter bestreut. Dann hatte sie das Kleid in den Schrank zurückgehängt, war wieder ins Bett geschlichen und so zufrieden mit sich gewesen, dass sie in dieser Nacht vor Aufregung kein Auge mehr zutat.
    Molly hielt sich für die gute Fee, und Caitlin war Cinderella.
    Am nächsten Morgen jedoch hatte Caitlin, als sie das Ergebnis sah, unter Tränen geschworen, dies ihrer Schwes ter niemals zu verzeihen. Und so wie es aussah, hielt sie Wort.
    Molly zuckte zusammen, als ihr Handy klingelte. Sie sah auf die Anzeige und seufzte. Es war wieder Caitlin.
    »Molly? Was ist passiert?«
    Es war nicht Caitlin. Sondern eine Männerstimme. Francesco.
    Er klang nicht wütend. Eher enttäuscht , so wie ein Lehrer von einer Schülerin, die ihre Hausaufgaben nicht rechtzeitig abgegeben hat.
    Molly hatte keine Ahnung, wie sie mit Caitlins Verlobtem reden sollte.
    »Francesco«, begann sie und bemühte sich, locker zu klingen, »das Ganze ist leider ein wenig abenteuerlich. Aber wir werden es schon schaffen. Wie geht es dir? Schon aufgeregt wegen des großen Tags?«
    »Caitlin ist sehr unglücklich«, erwiderte Francesco. »Sie sagt, die Hochzeit wäre ruiniert. Was hast du getan?«
    Da war es wieder. Alles Mollys Schuld.
    »Was ich getan habe?«, wiederholte sie. »Nun, Francesco, ich bin nicht sicher, ob ich beschuldigt werden möchte, deine Hochzeit zu ruinieren, wenn alles,

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