Kleider machen Bräute
erteilen.
»Brauchen Sie nicht mal eine Pause?«, fragte Molly irgendwann.
Er winkte ab. »Pause? Nicht, bevor dieses Debakel geregelt ist.«
Molly, die von dem vielen Kaffee aus dem Automaten schon ganz nervös und zapplig geworden war, starrte wütend auf Pascals Handy und schüttelte es ab und zu, als könne sie Delametri auf diese Weise dazu bringen, endlich zurückzurufen und ihr zu sagen, dass alles in Ordnung sei. Und wenn er ihr nebenbei einen Job anbot, weil sie eine so großartige Person war, wäre das auch okay …
Aber er rief nicht an.
Als der Abend langsam in die Nacht überging, fiel ihr jedoch auf, dass das Flughafenpersonal sein Verhalten ihr gegenüber änderte. Die feindseligen Blicke und das misstrauische Gemurmel wichen freundlichen Fragen, ob es ihr gut gehe, und man bot ihr Kaffee, Kekse und Decken an.
»Sie werden ihn jetzt bald gehen lassen!« Saschas Augen strahlten. »Ich habe gerade mit einem Sicherheitstypen gesprochen – sie haben den ganzen Abend Anrufe von irgendeinem hohen Tier erhalten …«
»Echt? Na Gott sei Dank.« Molly sprang auf und fiel Sascha spontan um den Hals. »Ich wusste, dass Delametri alles in Ordnung bringt.«
»Langsam, Baby. Wenn das Ihr Freund sieht! Wo ist er überhaupt hin?«
»Mein Freund?«, wiederholte Molly. »Reggie? Unter wegs nach Los Angeles. Woher wissen Sie das überhaupt?«
Jetzt war Sascha an der Reihe, verständnislos zu gucken. »Der Typ mit dem Rucksack!«
Da dämmerte es Molly. »Ach so! Sie meinen Simon! Nein, er ist nicht mein Freund.«
»Wirklich nicht?«
»Wir sind uns nie zuvor begegnet. Er hat mir mit Pascal geholfen und ist dann noch geblieben, um zu sehen, ob ich zurechtkomme.«
Sascha zog die Augenbrauen hoch. »Das hat er alles für Sie getan?« Er strich sich übers Kinn und warf ihr einen verschmitzten Blick zu. »Netter Kerl.«
Molly kicherte über seinen anzüglichen Ton. »Stimmt, er ist ein netter Kerl. Aber mein Freund ist er nicht.«
»Schade«, sagte Sascha und wandte sich zum Gehen. »Sie passen gut zueinander.«
»Er ist jetzt auf dem Weg nach Venedig«, sagte Molly, ohne auf seine Bemerkung einzugehen.
»Heute Nacht? Ohne Flüge und Züge?« Sascha wirkte erstaunt, dann lächelte er Molly an. »Warten Sie einen Moment«, rief er und verschwand.
Sobald er weg war, verflüchtigte sich auch Mollys Lä cheln. Reggies Namen auszusprechen hatte traurige Er in nerungen an die Trennung in Paris geweckt.
»Reggie«, flüsterte sie und seufzte laut. Wie viel einfacher wäre wohl alles gewesen, wenn sie ihn an ihrer Seite gehabt hätte? Wie konnte er sie nur abservieren und diese Katastrophe allein durchstehen lassen? Das war unverzeihlich. Doch dann wurde ihr klar, dass es für ihn keinerlei Bedeutung hatte, ob sie ihm verzieh. Weil er ihr den Laufpass gegeben hatte. Und sie war ganz auf sich gestellt.
»Ob ich hier irgendwo einen Kaffee bekomme?«
Molly wirbelte herum und sah Pascal vor sich stehen, kreidebleich, angeschlagen und trotzdem eleganter wirkend, als sie es wohl je sein würde.
Molly sprang auf und fiel ihm um den Hals. »Pascal! Alles in Ordnung mit dir? Was haben die mit dir gemacht?«
Behutsam schob er sie von sich, seine Miene ein Bild tiefsten Gedemütigtseins. »Lass. Mir geht es gut. So etwas ist mir noch nie passiert, und ich schäme mich so. Ich kann gar nicht glauben, dass ich dich so lange aufgehalten habe.«
Molly winkte ab. Sie sah ihm an, wie mitgenommen er war, und bemühte sich, möglichst locker und fröhlich zu klingen. »Mach dir keine Gedanken. Wir haben alle mal einen schlechten Tag.«
»Schlechten Tag?«, schrie er. »Noch nie habe ich einer Frau wehgetan! Noch nie! Ich war außer mir, aber das ist keine Entschuldigung! Ich kann mich nicht mal daran erinnern, aber auch das ist keine Entschuldigung!«
Molly suchte verzweifelt nach einer tröstenden Bemerkung. »Hör zu, wir wissen alle, dass das ein Ausrutscher war«, flunkerte sie. »Wir waren besorgt, du könntest dich selbst verletzen. Das ist alles. Aber jetzt geht es dir wieder gut, oder?«
Sie musste sich hinunterbeugen, um ihm in die Augen sehen zu können, die zutiefst beschämt den Fußboden fixierten. »Oder?«
Er sah sie an. »Ich habe mich bei der Stewardess entschuldigt, und sie war so gütig, meine Entschuldigung anzunehmen.«
»Das freut mich …«
»Aber ich werde mir selbst niemals verzeihen! Ich brauche irgendeine Therapie, eine …«
»Kaffee?«, fragte eine sexy Stimme mit russischem Akzent.
Pascal
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