Kleider machen Bräute
jedoch, es kollidiert mit einem ziemlich wichtigen Termin in Ihrem Kalender.«
»Wie schade«, sagte ihre Mutter.
»Wir schauen den Film irgendwann auf DVD an«, versicherte Molly. »Und wir könnten Simon im Gegenzug ja eine DVD von der Hochzeit schicken – jede Wette, er wird begeistert sein!« Sie grinste, als sie sah, wie Simon sich alle Mühe gab, sein charmantes, wohlerzogenes Lächeln aufrechtzuerhalten.
Mollys Mutter begutachtete den Wagen. »Sieht ganz so aus, als würden wir uns alle sehr gut kennenlernen, bis wir in Venedig sind. Sollen wir?«
Es bedurfte einigen Geschicks, um noch einen Körper und einen weiteren Koffer in dem Cinquecento unterzubringen. Nach zwei missglückten Versuchen hatten sie es jedoch endlich geschafft. Die beiden Frauen quetschten sich auf die Rückbank, das Kleid über ihre Knie ausgebreitet. Der zusätzliche Koffer belegte das letzte Fleckchen freien Raum zu ihren Füßen. Dann fuhren sie los. Dieses Mal saß Pascal am Steuer.
Im Wegfahren warf Molly über die Schulter einen Blick zurück. »Warum haben wir dich eigentlich an einem Krankenhaus abgeholt?«, fragte sie.
»Kein Grund zur Beunruhigung.« Ihre Mutter winkte ab. »Es war einfach ein guter Treffpunkt«, sagte sie. »Mit dem Auto in Mailand unterwegs zu sein, ist ein Albtraum. Und das Krankenhaus ist gut ausgeschildert.«
»Hervorragende Idee, Mum.« Molly lächelte.
»Und jetzt erzähl mal, warum in aller Welt du hier bist – in diesem Ding!«
Molly brauchte gut zwanzig Minuten, um die ganze betrübliche Geschichte der letzten beiden Tage zu erzählen. Als sie fast damit am Ende war, wirkte ihre Mutter jedoch keineswegs vor Erstaunen gebannt, sondern vielmehr, als würde sie jeden Moment einschlafen. Ihre Augenlider hingen müde herunter, und sie schien sich nur mit Mühe konzentrieren zu können.
»Ist das nicht urkomisch?«, sagte Molly. Ein wenig mehr Enthusiasmus hätte sie nach einer derart irren Geschichte schon erwartet. »Im Nachhinein natürlich nur.«
Ein »Hmm« war die einzige Reaktion ihrer Mutter.
Hätte Caitlin diese Geschichte erlebt, wäre sie viel aufmerksamer gewesen, schoss es Molly durch den Kopf .
»Entschuldige, Liebes«, sagte ihre Mutter leise. »Du hast wirklich ganz schön was mitgemacht.«
»Und das ist erst die halbe Geschichte.«
Molly war sich bewusst, dass Simon zuhörte. Einmal hatte er sogar kurz über die Schulter nach hinten geschaut.
»Aber den Rest erzähle ich dir ein anderes Mal.«
Es ärgerte sie, dass ihre Mutter nicht protestierte.
»Du hast bisher noch kein Wort über Reggie gesagt«, bemerkte sie stattdessen kaum hörbar.
Molly krampfte sich der Magen zusammen.
»Wo steckt er eigentlich?«
»Reggie?«, wiederholte sie und überlegte verzweifelt, was sie sagen könnte. Ihre Mutter war erschöpft, dieser Wagen war die reinste Sardinenbüchse und das Letzte, was Molly jetzt wollte, war die traurige Geschichte zu erzählen, wie sie den Laufpass bekommen hatte. Davon abgesehen wurde ihr plötzlich bewusst, dass sie in den letzten Tagen kaum einen Gedanken an Reggie ver schwendet hatte. So viel zum Thema Verdrängung.
Sie entschied sich für die halbe Wahrheit, das war immer noch besser als eine komplette Lüge. »Er hat einen Auftrag in Los Angeles und wird bei der Hochzeit nicht dabei sein.«
Sie machte sich auf eine verärgerte Reaktion ihrer Mutter gefasst.
»Verstehe«, sagte die. Und dann schloss sie die Augen und schien einzuschlafen.
»Mum?«
Aber in diesem Moment klingelte Mollys Handy. Sie sah aufs Display.
»Oh-oh. Das bedeutet Ärger.«
Sie holte tief Luft und ging ran.
»Hallo, Caitlin.«
»Der Zug ist schon vor Ewigkeiten angekommen.« Caitlins Stimme klang schrill und wütend. »Aber du hast nicht angerufen. Was zum Teufel ist los?«
»Ach, Caitlin, das ist eine weitere lange Geschichte. Ich fürchte …«
»Ich habe keine Zeit für lange Geschichten!«, kreischte ihre Schwester. »Ich heirate morgen! Oder auch nicht – dank dir! Wo steckst du?«
»Also, wir haben den Zug verpasst …«
»Das weiß ich. Wie kann man nur so dämlich sein! Ach, sag nichts, lass mich raten, du wurdest von einer Herde wildgewordener Büffel angegriffen?«
»Genau genommen …« Molly dachte an die Kühe in dem Stall. »Na ja, fast, aber nicht ganz.« Nur mühsam hielt sie ihre Stimme unter Kontrolle. »Wir sind jetzt mit einem Auto auf dem Weg nach Venedig und werden in ungefähr …« Sie tippte Simon auf den Arm, um sich bemerkbar zu
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