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Kleider machen Leute

Kleider machen Leute

Titel: Kleider machen Leute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Rauchsäulen, die gol-
    denen Turmknöpfe funkelten lockend aus den Baumwipfeln,
    Glück, Genuß und Verschuldung, ein geheimnisvolles Schick-
    sal winkten dort; von der Feldseite her aber glänzte die freie
    Ferne; Arbeit, Entbehrung, Armut, Dunkelheit harrten dort,
    aber auch ein gutes Gewissen und ein ruhiger Wandel; dieses
    fühlend, wollte er denn auch entschlossen ins Feld abschwen-
    ken. Im gleichen Augenblicke rollte ein rasches Fuhrwerk
    heran; es war das Fräulein von gestern, welches mit wehen-
    dem blauen Schleier ganz allein in einem schmucken leichten
    Fuhrwerke saß, ein schönes Pferd regierte und nach der Stadt
    fuhr. Sobald Strapinski nur an seine Mütze griff und dieselbe
    demütig vor seine Brust nahm in seiner Überraschung, ver-
    beugte sich das Mädchen rasch errötend gegen ihn, aber über-
    aus freundlich, und fuhr in großer Bewegung, das Pferd zum
    Galopp antreibend, davon.
    Strapinski aber machte unwillkürlich ganze Wendung und
    kehrte getrost nach der Stadt zurück. Noch an demselben Tage
    galoppierte er auf dem besten Pferde der Stadt, an der Spitze
    einer ganzen Reitergesellschaft, durch die Allee, welche um die
    grüne Ringmauer führte, und die fallenden Blätter der Linden
    tanzten wie ein goldener Regen um sein verklärtes Haupt.
    Nun war der Geist in ihn gefahren. Mit jedem Tage wan-
    delte er sich, gleich einem Regenbogen, der zusehends bunter
    wird an der vorbrechenden Sonne. Er lernte in Stunden, in
    Augenblicken, was andere nicht in Jahren, da es in ihm ge-
    steckt hatte wie das Farbenwesen im Regentropfen. Er beach-
    tete wohl die Sitten seiner Gastfreunde und bildete sie wäh-
    rend des Beobachtens zu einem Neuen und Fremdartigen um;
    besonders suchte er abzulauschen, was sie sich eigentlich unter
    ihm dächten und was für ein Bild sie sich von ihm gemacht.
    Dies Bild arbeitete er weiter aus nach seinem eigenen Ge-
    schmacke, zur vergnüglichen Unterhaltung der einen, welche
    gern etwas Neues sehen wollten, und zur Bewunderung der
    anderen, besonders der Frauen, welche nach erbaulicher An-
    regung dürsteten. So ward er rasch zum Helden eines artigen
    Romanes, an welchem er gemeinsam mit der Stadt und liebe-
    voll arbeitete, dessen Hauptbestandteil aber immer noch das
    Geheimnis war.
    Bei alldem erlebte Strapinski, was er in seiner Dunkelheit
    früher nie gekannt, eine schlaflose Nacht um die andere, und
    es ist mit Tadel hervorzuheben, daß es ebensoviel die Furcht
    vor der Schande, als armer Schneider entdeckt zu werden
    und dazustehen, als das ehrliche Gewissen war, was ihm den
    Schlaf raubte. Sein angeborenes Bedürfnis, etwas Zierliches
    und Außergewöhnliches vorzustellen, wenn auch nur in der
    Wahl der Kleider, hatte ihn in diesen Konflikt geführt und
    brachte jetzt auch jene Furcht hervor, und sein Gewissen war
    nur insoweit mächtig, daß er beständig den Vorsatz nährte,
    bei guter Gelegenheit einen Grund zur Abreise zu finden und
    dann durch Lotteriespiel und dergleichen die Mittel zu ge-
    winnen, aus geheimnisvoller Ferne alles zu vergüten, um was
    er die gastfreundlichen Goldacher gebracht hatte. Er ließ sich
    auch schon aus allen Städten, wo es Lotterien oder Agenten
    derselben gab, Lose kommen mit mehr oder weniger beschei-
    denem Einsatze, und die daraus entstehende Korrespondenz,
    der Empfang der Briefe, wurde wiederum als ein Zeichen
    wichtiger Beziehungen und Verhältnisse vermerkt.
    Schon hatte er mehr als einmal ein paar Gulden gewonnen
    und dieselben sofort wieder zum Erwerb neuer Lose verwen-
    det, als er eines Tages von einem fremden Kollekteur, der sich
    aber Bankier nannte, eine namhafte Summe empfing, welche
    hinreichte, jenen Rettungsgedanken auszuführen. Er war be-
    reits nicht mehr erstaunt über sein Glück, das sich von selbst
    zu verstehen schien, fühlte sich aber doch erleichtert und be-
    sonders dem guten Waagwirt gegenüber beruhigt, welchen er
    seines guten Essens wegen sehr wohl leiden mochte. Anstatt
    aber kurz abzubinden, seine Schulden gradaus zu bezahlen
    und abzureisen, gedachte er, wie er sich vorgenommen, eine
    kurze Geschäftsreise vorzugeben, dann aber von irgendeiner
    großen Stadt aus zu melden, daß das unerbittliche Schicksal
    ihm verbiete, je wiederzukehren; dabei wolle er seinen Ver-
    bindlichkeiten nachkommen, ein gutes Andenken hinterlas-
    sen und seinem Schneiderberufe sich aufs neue und mit mehr
    Umsicht und Glück widmen oder auch sonst einen anständi-
    gen Lebensweg erspähen. Am liebsten wäre er freilich

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