Kleider machen Leute
werden, denn der Amtsrat behauptete,
daß der künftige Schwiegersohn sich in seinen Geschäften
und vorhabenden Reisen nicht durch Heiratssachen dürfe
aufhalten lassen, sondern diese durch die Beförderung jener
beschleunigen müsse.
Strapinski brachte zur Verlobung Brautgeschenke, welche
ihn die Hälfte seines zeitlichen Vermögens kosteten; die an-
dere Hälfte verwandte er zu einem Feste, das er seiner Braut
geben wollte. Es war eben Fastnachtszeit und bei hellem Him-
mel ein verspätetes glänzendes Winterwetter. Die Landstra-
ßen boten die prächtigste Schlittenbahn, wie sie nur selten
entsteht und sich hält, und Herr von Strapinski veranstaltete
darum eine Schlittenfahrt und einen Ball in dem für solche
Feste beliebten stattlichen Gasthause, welches auf einer Hoch-
ebene mit der schönsten Aussicht gelegen war, etwa zwei gute
Stunden entfernt und genau in der Mitte zwischen Goldach
und Seldwyla.
Um diese Zeit geschah es, daß Herr Melchior Böhni in der
letzteren Stadt Geschäfte zu besorgen hatte und daher einige
Tage vor dem Winterfest in einem leichten Schlitten dahin
fuhr, seine beste Zigarre rauchend; und es geschah ferner, daß
die Seldwyler auf den gleichen Tag wie die Goldacher auch
eine Schlittenfahrt verabredeten, nach dem gleichen Orte,
und zwar eine kostümierte oder Maskenfahrt.
So fuhr denn der Goldacher Schlittenzug gegen die Mit-
tagsstunde unter Schellenklang, Posthorntönen und Peit-
schenknall durch die Straßen der Stadt, daß die Sinnbilder der
alten Häuser erstaunt herniedersahen, und zum Tore hinaus.
Im ersten Schlitten saß Strapinski mit seiner Braut, in einem
polnischen Überrock von grünem Sammet, mit Schnüren be-
setzt und schwer mit Pelz verbrämt und gefüttert. Nettchen
war ganz in weißes Pelzwerk gehüllt; blaue Schleier schützten
ihr Gesicht gegen die frische Luft und gegen den Schneeglanz.
Der Amtsrat war durch irgendein plötzliches Ereignis verhin-
dert worden mitzufahren; doch war es sein Gespann und sein
Schlitten, in welchem sie fuhren, ein vergoldetes Frauenbild
als Schlittenzierat vor sich, die Fortuna vorstellend; denn die
Stadtwohnung des Amtsrates hieß zur Fortuna.
Ihnen folgten fünfzehn bis sechszehn Gefährte mit je
einem Herren und einer Dame, alle geputzt und lebensfroh,
aber keines der Paare so schön und stattlich wie das Braut-
paar. Die Schlitten trugen, wie die Meerschiffe ihre Galions,
immer das Sinnbild des Hauses, dem jeder angehörte, so daß
das Volk rief: „Seht, da kommt die Tapferkeit! Wie schön ist
die Tüchtigkeit! Die Verbesserlichkeit scheint neu lackiert zu
sein und die Sparsamkeit frisch vergoldet! Ah, der Jakobs-
brunnen und der Teich Bethesda!“ Im Teiche Bethesda, wel-
cher als bescheidener Einspänner den Zug schloß, kutschierte
Melchior Böhni still und vergnügt. Als Gallion seines Fahr-
zeugs hatte er das Bild jenes jüdischen Männchens vor sich,
welcher an besagtem Teiche dreißig Jahre auf sein Heil gewar-
tet. So segelte denn das Geschwader im Sonnenscheine dahin
und erschien bald auf der weithin schimmernden Höhe, dem
Ziele sich nahend. Da ertönte gleichzeitig von der entgegenge-
setzten Seite lustige Musik.
Aus einem duftig bereiften Walde heraus brach ein Wirr-
warr von bunten Farben und Gestalten und entwickelte sich
zu einem Schlittenzug, welcher hoch am weißen Feldrande
sich auf den blauen Himmel zeichnete und ebenfalls nach der
Mitte der Gegend hinglitt, von abenteuerlichem Anblick. Es
schienen meistens große bäuerliche Lastschlitten zu sein, je
zwei zusammengebunden, um absonderlichen Gebilden und
Schaustellungen zur Unterlage zu dienen. Auf dem vordersten
Fuhrwerke ragte eine kolossale Figur empor, die Göttin For-
tuna vorstellend, welche in den Äther hinauszufliegen schien.
Es war eine riesenhafte Strohpuppe voll schimmernden Flit-
tergoldes, deren Gazegewänder in der Luft flatterten. Auf dem
zweiten Gefährte aber fuhr ein ebenso riesenmäßiger Zie-
genbock einher, schwarz und düster abstechend und mit ge-
senkten Hörnern der Fortuna nachjagend. Hierauf folgte ein
seltsames Gerüste, welches sich als ein fünfzehn Schuh hohes
Bügeleisen darstellte, dann eine gewaltig schnappende Schere,
welche mittelst einer Schnur auf- und zugeklappt wurde und
das Himmelszelt für einen blauseidenen Westenstoff anzu-
sehen schien. Andere solche landläufige Anspielungen auf
das Schneiderwesen folgten noch, und zu Füßen aller
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