Kleine Abschiede
neueste Masche; wahrscheinlich übte er das vor dem Spiegel.
Manchmal kam sie sich vor wie
eine winzige Mücke, die die Macken ihrer Familie umschwirrte.
Das Linoleum unter ihren Füßen
war glatt und eiskalt, und eigentlich wäre sie nach oben gegangen, ihre
Hausschuhe zu holen, doch oben waren Sam und der Klempner. Also beschäftigte
sie sich wieder mit den Einkaufstüten und packte weitere Pastapakete aus.
Vielleicht konnte sie Mrs. Allingham erzählen, Sam sei krank geworden. Doch das
war immer riskant; sie wohnten in derselben Straße, und es ließ sich leicht
feststellen, daß er morgens gesund und munter auf der Schwelle erschien, um die
Zeitung hereinzuholen. Sie seufzte und schloß eine Küchenschranktür. »Wann hat
das mit mir alles angefangen?« fragte sie Carroll.
»Höh?«
»Wann hat sich Lieb-und-Nett in
Doof-und-Dämlich verwandelt?«
Er hatte dazu keine Meinung.
Da erschien ihre Schwester in
der Tür, krempelte sich die Ärmel hoch. »Morgen, allerseits!« verkündete sie.
»Eliza?«
Es gab Tage, an denen Eliza wie
ein Zwerg aussah, und dies war einer. Sie trug ihre Gartenkluft — eine Art
Tropenhelm, der ihre glatte schwarze Ponyfrisur verdeckte, dazu ein Khakihemd
und eine stabile braune Hose, braune solide Jungenschuhe mit extra dicken
Sohlen, die sie größer machen sollten. (Sie war die kleinste der drei
Felson-Schwestern.) Das Horngestell ihrer Brille überwältigte ihr kleines,
bleiches, ungeschminktes Gesicht. »Ich dachte, besser, ich pflanze die Kräuter
um, bevor der Boden austrocknet«, erklärte sie Delia.
»Aber ich dachte, du
arbeitest.«
»Arbeiten? Es ist Samstag.«
»Du hast doch aus dem Dienst
angerufen, dachte ich.«
Eliza sah zu Carroll. Er zog
schon wieder diese Augenbraue hoch.
»Du hast angerufen und auf den
Anrufbeantworter gesprochen«, sagte Delia, »du wolltest eine Adresse von mir.«
»Das war vor zehn Tagen. Ich
brauchte Jenny Coops Adresse, erinnerst du dich.«
»Wieso habe ich es dann jetzt
auf dem Anrufbeantworter abgehört?«
»Mama«, sagte Carroll, »du hast
sicher alte Anrufe abgespielt.«
»Wie das?«
»Du hast wahrscheinlich den
Beantworter gar nicht eingeschaltet und dann, als du den Message-Knopf gedrückt
hast — «
»Ach, du großer Gott«, sagte
Delia. »Mrs. Allingham.«
»Gibt’s Kaffee?« fragte Eliza.
»Nicht daß ich wüßte. Ach, du
großer Gott...«
Sie ging zum Telefon an der Wand
und wählte Mrs. Allinghams Nummer. »Ich liege gemütlich im Bett«, erzählte
Eliza Carroll, »denke: Fabelhaft, Samstagmorgen, ich kann bis mittags schlafen,
und wer kommt von hinten durch meinen Wandschrank angekrochen — einer dieser
verdammten Handwerker deines Vaters.«
»Mrs. Allingham«, sagte Delia
ins Telefon. »Hier ist noch einmal Delia. Mrs. Allingham, ich komme mir völlig
idiotisch vor, aber ich habe anscheinend die Anrufe durcheinandergebracht, und
Sie haben uns ja vergangene Woche eingeladen. Da waren wir natürlich da, und es
war auch ganz besonders schön; habe ich mich bei Ihnen schriftlich bedankt?
Aber diese Woche kommen wir nicht; ich meine, ich habe begriffen, daß sie uns
vergangene —«
»Aber Delia, Herzchen, wir
freuen uns auch, wenn ihr diese Woche kommt! Wir freuen uns wirklich jedesmal,
wenn ihr kommt, und ich habe Marshall schon mit einer Liste in den
Delikatessenladen geschickt.«
»Oh, das tut mir so leid«,
sagte Delia, aber da ging die Kaffeemühle los — ein ohrenbetäubendes Spektakel
— und sie rief: »Jedenfalls! Zuerst müssen wir sie hierher zu uns einladen,
ganz bald! Auf Wiedersehen!«
Sie legte den Hörer auf und
starrte Eliza an.
»Wenn dein Kaffee so gut
schmeckt, wie er riecht«, sagte Eliza gutgelaunt, als die Mühle aufhörte.
Sam kam mit dem Klempner die
Treppe herab. Delia hörte den langgedehnten Ost-Baltimore-Akzent des Klempners;
er gab gerade einen lyrischen Erguß über Wasser-an-sich zum besten. »Das Zeug
ist unglaublich«, sagte er, »kommt an einer Stelle raus, läuft zehn Meter ein Rohr
unten lang und fängt dann an zu tropfen, wo kein Mensch es erwartet. Es liegt
auf der Lauer, es braucht seine Zeit, es sucht sich eine winzige Ritze, wo
keiner auf die Idee kommt nachzusehen.«
Delia legte die Hände auf die
Hüften und stand abwartend da. Kaum traten die beiden Männer ein, sagte sie:
»Ich hoffe schwer, du bist jetzt zufrieden, Sam Grinstead.«
»Hmm?«
»Ich habe die arme Mrs.
Allingham angerufen und das Abendessen abgesagt.«
»Oh, gut«, sagte
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