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Kleine Abschiede

Kleine Abschiede

Titel: Kleine Abschiede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tyler
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bescheidener
ausfällt? Eigentlich ist es unwichtig.«
    Sie standen zusammen in Nats
Küche, als sie es sagte, blätterten in Kochbüchern. (Auch der Hochzeitskuchen
sollte etwas bescheidener ausfallen.) »Und ich möchte richtig Mrs. Moffat
heißen, kein ›Ms.‹ für mich. Er ist der erste Mann, der mich einfach, wirklich,
ganz und gar liebt.« Ihre Augen schimmerten verdächtig, als weinte sie gleich,
und sie steckte den Kopf schnell wieder ins Kochbuch.
    »Dann solltest du ihn
eigentlich sofort heiraten«, sagte Delia.
    »Wenn seine Töchter nur
zustimmen«, meinte Binky. »Hast du gehört, daß Dudi sich ihre Haare
abgeschnitten hat?«
    »Haare abgeschnitten?«
    »Sie hat sich dermaßen
aufgeregt, als Nat unsere Verlobung bekanntgab; sie ist in sein Badezimmer
gerannt, hat sich seine kleine Bartschere geschnappt und ihr Haar abgesäbelt.«
    »Du meine Güte«, sagte Delia.
    »Pat und Donna weigern sich,
zur Hochzeit zu erscheinen, und als ich Ellie gebeten habe, meine Brautjungfer
zu sein — aus reiner Nettigkeit, ich habe schon meine Schwester und meine
Nichten — , kriegte ich zu hören, sie käme vielleicht auch nicht, sie wüßte es
noch nicht, deshalb sei sie lieber keine Brautjungfer. Anschließend riet sie
Nat, beim Notar Gütertrennung zu vereinbaren. Sie halten mich anscheinend alle
für... eine Goldgräberbraut. Daß sie ihren Vater beleidigen, wenn sie meinen,
daß keine Frau ihn um seiner selbst willen liebt, merken sie gar nicht.«
    »Sie sind nur ein bißchen
überrascht«, tröstete Delia sie. »Das legt sich.«
    Binky schüttelte den Kopf,
strich eine Kochbuchseite glatt. »Sie rufen ihn an, und als erstes fragen sie: ›Ist
sie da?‹ Sie — das bin ich; sie nennen mich, wenn möglich, nicht mal beim
Namen. Nie kommen sie uns besuchen. Donna sagt, weil ich immer da bin. Sie
sagt, ich erlaube nicht, daß sie mit ihm allein sind, aber das stimmt nicht;
nur...«
    Sie redete nicht weiter, wurde
statt dessen rot, und Delia wunderte sich, bis Binky ihren Satz beendete: »-
nur, weil ich hier eigentlich doch schon wohne«, sagte sie.
    »Aber natürlich«, sagte Delia
hastig. »Was erwarten sie?«
    »Schon gut, eigentlich wollte
ich dich nicht mit meinen Sorgen anöden«, sagte Binky. »Weißt du, warum ich so
gern mit dir rede, Delia? Du unterbrichst niemanden mit deinen eigenen
Erfahrungen. Kein Wunder, daß du so beliebt bist!«
    »Ich bin beliebt?«
    »Keine falsche Bescheidenheit.
Noah hat uns erzählt, daß du mit halb Bay Borough befreundet bist.«
    »Na so was! Dabei kenne ich
kaum jemanden«, sagte Delia.
    Obwohl es sie erstaunte, wie
viele Freunde sie mittlerweile hatte, wenn sie es genau überlegte.
    »Du vermittelst keinem das
Gefühl, deine Zeit zu vergeuden«, sagte Binky. »Wippst nicht ungeduldig mit dem
Fuß, bis du endlich deine eigene Geschichte loswerden kannst.«
    »Naja, da ist auch nicht viel
loszuwerden«, meinte Delia.
    Vergangene Woche beim
Abendessen hatte Joel gefragt, wo in Baltimore Delia herkäme. »Oh«, hatte sie
geantwortet, »unterschiedliche Gegenden«, und er hatte das Thema gewechselt —
dachte sie. Doch kurz darauf meinte er: »Komisch, wenn jemand nichts aus seiner
Vergangenheit erzählt, geht man automatisch davon aus, daß es eine
Vergangenheit gibt, ich meine, mehr als üblich: bewegt und exotisch.«
    »Tatsächlich?« hatte Delia,
ohne mit der Wimper zu zucken, gefragt. Eine interessante These, fand sie; sie
dachte darüber nach, bis ihr die Stille auffiel und sie hochsah, bemerkte, daß
er sie anschaute. »Was ist?« hatte sie gefragt.
    »Oh, nichts.«
    Dann hatte Noah zwischen ihnen
nach dem Salzstreuer gegriffen — eine trennende Geste: den Stuhl vorgekippt,
ein schwungvoller Satz — , und alles war vorüber.
     
    * * *
     
    Immer wieder warf Delia einen
Blick in den Rückspiegel, als sie zur Hochzeit fuhren. Sie hatte vielleicht
doch zuviel Make-up genommen. »Wie findest du meinen Lippenstift?« fragte sie
Noah.
    »Okay«, sagte er, ohne
hinzusehen.
    Er hatte seine eigenen Sorgen.
In regelmäßigen Abständen schob er seine Finger zwischen die Knöpfe seiner
Winterjacke, fühlte nach dem Ring in seiner Hemdtasche.
    »Bist du sicher, daß es nicht
zuviel ist?« fragte sie ihn.
    »Hmm?«
    »Mein Lippenstift, Noah.«
    »Nee, ist okay.«
    » Du siehst hübsch aus«,
sagte sie.
    »Warum mußte ich mich so in
Schale werfen?«
    »In Schale werfen! Ein Hemd
ohne Krawatte nennst du in Schale werfen?«
    »Ich sehe aus wie die Doofis im
Schulchor.«
    »Sei

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