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Kleine Abschiede

Kleine Abschiede

Titel: Kleine Abschiede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tyler
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gigantischer, frisch-feuerrot-getürmter Lockenpracht entgegengestöckelt.
Carroll rannte sie beinah um. Teensy sagte: »Oh!« und machte einen Schritt
rückwärts, griff sich ängstlich an die Frisur, damit sie nicht ins Wanken
geriet. »Delia, ehrlich«, sagte sie. »Finden Sie, ich sehe albern aus?«
    »Kein bißchen«, antwortete
Delia. »Carroll, warte doch.«
    Carroll wirbelte herum, seine
Augenbrauen zuckten vor Zorn. »Komm, laß mich, bleib bei deinen feinen
Freunden!« griff er sie an. »Orphan Annie und Mr. Vornehm und dein kleiner
Heimlichtuer und Veranda oder wer...«
    Vanessa, hätte Delia ihn fast
verbessert, während hinter ihr Teensy fragte: »Delia? Ist alles in Ordnung?«
und Belle in der Tür stand und sagte: »Typisch Kinder, aber so ist das Leben.«
    »Eigentlich wollte ich dir
einen Gefallen tun«, sagte Carroll.
    »Was, ach, Junge?«
    »Ich wollte dir eigentlich
nur’n Tip geben, was zu Hause los ist, aber, laß jetzt. Lassen wir das«, sagte
er.
    Dennoch machte er nicht kehrt,
ging nicht fort. Er schien in der Schwebe, wippend auf quietschenden
Turnschuhgummisohlen. Vorsichtig blieb sie auf der Stelle stehen. Sie stand
zwei, drei Meter von ihm entfernt, ihr Gesicht, weich, wie erstarrt. »Was ist
zu Hause los?« fragte sie ihn.
    »Oh, nichts. Überhaupt nichts!
Außer daß deine eigene, leibliche Schwester deinen Mann anmacht«, sagte er.
    »Eliza?«
    »Und Pa ist so daneben, er
lacht nur, wenn wir ihn darauf aufmerksam machen. Aber wir haben es alle
gemerkt, ich und Susie und Ramsay, es ist absolut klar, und wir wissen auch schon,
wie es endet, wetten.«
    »Das würde Eliza nie tun«,
sagte Delia; doch während sie das sagte, versuchte sie es sich vorzustellen.
Sie versetzte sich zurück auf das Sofa, damals, im Wohnzimmer, in die Reihe der
heiratsfähigen Töchter. Ich brauche nur ›Sommer‹ zu hören, dann riecht es
wie geschmolzen. Und diesmal warf Sam Eliza einen wachsamen, anerkennenden
Blick zu, wie sonst nie im Leben. Es war nicht unmöglich, das sah Delia.
    Doch zu Carroll sagte sie: »Das
bildet ihr euch nur ein.«
    »Oh, dir ist das doch
egal!« platzte Carroll heraus, und blitzschnell machte er kehrt und lief auf
die West Street zu.
    »Carroll, geh nicht weg!«
    Hastig ging sie hinter ihm her.
(Wohin konnte er hier schon gehen?) Er überquerte die George Street, hielt an,
weil ein Postauto vorbeikam, und verschwand dann um die Ecke. Delia ging
schneller. Auf der West Street sah sie, wie er an Mr. Pomfret vorbeiging, der
vor seiner Kanzlei stand und sich mit dem Paketboten unterhielt. Sie selbst
rannte mit abgewandtem Gesicht an Mr. Pomfret vorüber; das letzte, was sie
brauchte, waren jetzt noch mehr Bekannte, die ihren Namen riefen. Sie verlor
Carroll aus den Augen, und dann entdeckte sie ihn neben dem Blumengeschäft. Er
wartete federnd am Straßenrand. Offensichtlich wollte er zum Platz. Gut: da
konnten sie sich zusammen auf eine Bank setzen. Luft schnappen. Alles nochmal
in Ruhe durchsprechen.
    Doch nachdem er die Straße
überquert hatte, blieb er an einem Wagen neben den Parkuhren stehen. Einem
grauen Wagen, einem Plymouth. Ihr Plymouth. Mit Ramsay am Steuer.
Eindeutig sein Gesicht, so lieb und kräftig wie immer. Carroll öffnete die
Beifahrertür und stieg ein. Der Motor heulte auf, und der Wagen schwenkte in
den Verkehr.
    Sie hätte ihnen immer noch
nachlaufen können. Sie konnten nur langsam fahren. Doch sie blieb, wo sie war,
angenagelt auf dem Gehweg, eine Hand gegen ihren Hals gepreßt.
    Ramsay war hier in der Stadt
gewesen. Er war die ganze Strecke gefahren, und dann hatte er sich nicht die
Mühe gemacht, sie zu sehen. Susie womöglich auch, obwohl Delia nur zwei Köpfe
im Plymouth erkannt hatte.
    Sie hatte es verdient,
natürlich. Unbestritten.
    Sie drehte sich um und ging
wieder zu Rick-Rack’s, wie eine Schlafwandlerin.
    Es war soviel geschehen, doch
als sie zum Café kam, standen dort immer noch Belle und Teensy und unterhielten
sich, Kim und Marietta pafften den Rauch ihrer Zigaretten in die Luft, und Rick
schob ihre Rechnung unter die Ketchup-Flasche. Wie in Zeitlupe zählte sie ihr
Geld ab, bezahlte und vergaß auch nicht, ein Trinkgeld auf den Tisch zu legen.
Sie griff ihre Handtasche und die Tüte von Junge Männermode‹ und verließ das
Café; Teensys Frisur roch versengt und chemisch, Belles Stimme war ein harter
Singsang. »Ist dir schonmal aufgefallen«, sagte Belle gerade, »daß Horace Lamb
ein klitzekleines bißchen wie Abraham Lincoln

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