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Kleine Abschiede

Kleine Abschiede

Titel: Kleine Abschiede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tyler
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griff mit dem kleinen Finger
dem Hund ins Stachelhalsband. Delia spürte unvorhergesehene Bewunderung, als
bezöge ihr Entzücken für Adrian seine Frau mit ein.
    Sie drehte den Wasserhahn zu,
griff die Thermoskanne und überreichte sie Lysander. »Ach du Schreck!« sagte
Lysander. Aus dem Kannenboden rann Wasser. »Ach, Sie haben sie kaputtgemacht«,
sagte er.
    Delia entschuldigte sich nicht.
Sie hielt ihm die Thermoskanne hin, hatte nur einen Wunsch: daß er sie nähme
und verschwände. Im Supermarkt, kam ihr dabei in den Sinn, hatte sie von Ramsay
erzählt, und Adrian hatte ihn für ihren Mann gehalten. Kein Wunder, daß er noch
nicht vorbeigekommen war! Er hatte nach Ramsay Grinstead gesucht, und der stand
nicht im Telefonbuch. Über kurz oder lang würde ihm sein Fehler auffallen. Sie
lächelte bei dem Gedanken, hielt mit der ausgestreckten Hand die Thermoskanne,
bis Eliza mißbilligend schnalzte und den Wischlappen holte.
     
    * * *
     
    In der Dunkelheit läutete
zweimal das Telefon, und Delia schreckte hoch. Noch mit halbgeschlossenen Augen
überlegte sie, wo die Kinder steckten. Alle drei lagen sicher und gesund in ihren
Betten, beruhigte sie sich, dennoch schlug ihr Herz wie wild.
    »Hallo?« sagte Sam. »Ja, hier
Dr. Grinstead. Oh. Mr. Maxwell.«
    Delia drehte sich seufzend um.
Mr. Maxwell war der Prinzgemahl der Königinmutter von Hypochondria.
    »Seit wann hat sie diese Beschwerden?«
fragte Sam. »Aha. Also, das klingt nicht besonders ernst. Ja, sicher ist das
unangenehm, aber ich bezweifle sehr, ob — «
    Gedämpftes Plappern drang aus
dem Hörer.
    »Natürlich tut sie das«, sagte
Sam. »Ich verstehe. Gut, Mr. Maxwell, wenn Sie meinen, es ist so wichtig, komme
ich vorbei und sehe es mir an.«
    »Oh, Sam!« zischte Delia und
setzte sich auf.
    Er beachtete sie nicht. »Also,
bis gleich«, beruhigte er Mr. Maxwell.
    Er hatte kaum den Hörer
aufgelegt, als Delia sagte: »Sam Grinstead, du bist verrückt. Du weißt doch,
daß nichts ist. Wieso bringt er sie nicht zur Notambulanz, wenn sie wirklich so
krank ist?«
    »Na, sie fahren beide nicht
mehr Auto«, sagte Sam geduldig. Er stieg mit einem Schwung aus dem Bett und
nahm seine Hose, die aufgefaltet über der Schaukelstuhllehne lag. Wie immer
trug er schon frische Unterwäsche, und seine Sachen für den morgigen Tag lagen
griffbereit.
    Delia preßte eine Hand auf ihr
Herz, das sich jetzt erst beruhigte. Hatte sich Sam bei seinen Herzbeschwerden
so gefühlt? Sie versuchte es sich vorzustellen. Wenn sie sich ausmalte, daß er
damals Auto gefahren war — unterwegs zu einem Treffen, und ihm dabei seine
Symptome klargeworden waren; daß er ruhig und gefaßt (stellte sie sich vor)
seine Route geändert hatte und zum Sinai-Hospital gefahren war. Sich sozusagen
selbst ins Krankenhaus eingewiesen und eine Schwester gebeten hatte, Delia
anzurufen, ihr die Nachricht schonend beizubringen. (»Ihr Mann möchte, daß wir
Ihnen mitteilen, es wird ein bißchen später als sonst.«) Und Delia hatte
inzwischen vor dem Kamin gesessen und ahnungslos Lucinda’s Lover gelesen.
    Sie knipste die Lampe an und
stieg aus dem Bett. Viertel nach zwei, zeigte der Wecker. Sam blinzelte ins
Licht, langte nach seiner Brille, und nachdem er sie aufgesetzt hatte, sah er
sie an. »Was hast du vor?« fragte er. Wenn er die Brille trug, wirkte sein
Gesicht deutlicher konturiert, weniger verschwommen um die Augen, als sähe sie
schärfer und nicht er.
    Sie zog den gerüschten
Morgenmantel über ihr Nachthemd, schloß vorn den Reißverschluß, bevor sie
antwortete. »Ich komme mit«, sagte sie.
    »Wie bitte?«
    »Ich bringe dich mit meinem
Wagen hin.«
    »Warum, um Himmels willen, denn
das?«
    »Weil ich es will, darum«, sagte
sie. Sie zog das Bindeband ganz fest, in der Hoffnung, der Hausmantel fiele so
auf der Straße weniger auf. Als sie in ihre flachen Schuhe schlüpfte, spürte
sie, wie er sie anstarrte, aber er sagte nur: »Fertig?« Sie griff ihren
Schlüsselbund vom Schreibtisch.
    »Delia, zweifelst du daran, daß
ich fähig bin, mein eigenes Auto zu fahren?« fragte er.
    »Oh, nein! Nicht die Bohne!«
sagte sie. »Wo ich schon wach bin, kann ich doch mitkommen? Außerdem ist es
eine schöne Frühlingsnacht.«
    Er schien wenig überzeugt, aber
er widersprach nicht mehr, als sie vor ihm die Treppe hinunterging.
    Die Frühlingsnacht war ganz und
gar nicht schön. Sie war kühl und windig; sie wünschte, kaum, daß sie das Haus
durch die Hintertür verlassen hatten, sie hätte einen

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