Kleine Einblicke
Arbeit. Oder Daniel hat dasselbe vor wie ich, nämlich miteinander zu reden. Vorerst jedoch tun wir, was wir seit Wochen tun. Schweigen.
„Es tut mir leid“, ergreift Daniel beim Abwasch überraschend das Wort und sieht von dem Teller auf, den er in den Händen hält. „Wie ich mich verhalten habe.“
Im ersten Moment bin ich zu verblüfft, um zu reagieren, aber das hält nicht lange an. Er hat den ersten Schritt gemacht, jetzt bin ich dran. „Soll ich die Reise stornieren?“
Daniel schüttelt umgehend den Kopf. „Nein.“
„Willst du wirklich nach Florida? Sei bitte ehrlich, Dan“, hake ich nach, denn wir haben zu lange geschwiegen. Jetzt muss es raus. Alles, was noch gesagt werden muss.
„Doch, ich möchte schon.“ Daniel sieht zurück auf den Teller und wäscht weiter ab. „Ich weiß nur nicht wie ich... was ich...“
Er verstummt und seufzt. Ich spüre seine Hilflosigkeit und diese Nervosität, die er seit Wochen mit sich herumträgt. Normalerweise bin ich nicht der Typ, der andere bedrängt, aber heute bleibt mir keine andere Wahl. Wenn wir das jetzt nicht auf die Reihe kriegen, wird es beim nächsten Mal noch schwerer werden.
„Wir müssen endlich darüber reden, Dan. Sag' mir, was ich falsch gemacht habe. Sag' mir, was los ist.“
„Wieso ausgerechnet Florida?“, fragt er und sieht wieder zu mir. „Wieso nicht Kanada oder sonst wo? Nur nicht...“
Daniel hat wirklich Angst, dass ich ihn an den erstbesten Strand schleppe und traut sich nicht, mir das zu sagen. Ich kann nicht anders, als ihm den Teller aus der Hand zu nehmen und ihn einfach neben uns auf die Küchentheke zu stellen, bevor ich Daniels Hände mit dem Handtuch abtrockne, um ihn ins Wohnzimmer zu bugsieren, wo ich mich auf die Couch setze und Daniel auf meinen Schoß ziehe. Wir sehen uns an.
„Everglades, Nationalparks, vielleicht ein bisschen Sightseeing in Miami oder Orlando.“ Ich muss grinsen, als seine wunderschönen Augen sich verblüfft weiten. „Ein Abendspaziergang am Strand würde mir noch einfallen. Bei Mondschein. Nur du und ich.“
Daniel lässt seinen Kopf an meine Schulter sinken. „Es tut mir so leid, Connor.“
Jetzt bin ich derjenige, der seufzt. „Warum hast du denn nichts gesagt? Glaubst du wirklich, ich würde nicht zuhören? Vertraust du mir so wenig, dass du lieber wochenlang darüber grübelst, anstatt mir einfach zu sagen, was dir im Kopf herumgeht?“
„Das ist es nicht“, wehrt Daniel ab und steht auf. Er sieht mich an, scheint etwas sagen zu wollen, tut es aber nicht, sondern geht ein paar Schritte und fängt danach an, im Wohnzimmer auf und ab zu laufen. „Es ist nicht Florida, der Urlaub, oder der Strand. Nicht nur“, fängt er plötzlich an zu erzählen und damit scheint ein Damm gebrochen zu sein. „Ja, ich war im ersten Moment wirklich entsetzt und schockiert, weil ich bei Florida automatisch an Strände, kurze Hosen, T-Shirts und so weiter denke. Und ich habe falsch reagiert, das weiß ich und dafür habe ich mich vorhin entschuldigt, nicht im Bezug auf den Urlaub. Ich möchte mit dir wegfahren, wirklich, und ich wollte dir schon an Silvester sagen, dass ich das nicht kann. Mit dir an den Strand gehen oder ins Meer. Ich wusste, du würdest das akzeptieren.“
„Das hätte ich auch, tue ich noch“, stimme ich zu und bin völlig ratlos, was es dann ist. Was macht Daniel bloß solche Angst, dass er scheinbar nicht mehr aus noch ein weiß. „Dan? Was ist los? Rede mit mir, bitte.“ Ich stehe auf, gehe zu ihm und halte Daniel fest, um ihn ansehen zu können. „Sag' es mir einfach.“
„Kanada wäre trotzdem besser als Florida“, sagt Daniel daraufhin und verwirrt mich damit nur noch mehr. Was meint er?
„Was?“, frage ich ratlos.
„Da könnten wir schneller verschwinden.“
Ich verstehe kein Wort. „Verschwinden? Wohin? Dan, wovon redest du?“
Daniel senkt den Blick, macht sich abrupt von mir los und nimmt sein rastloses Hin und Her wieder auf. Langsam beschleicht mich der Verdacht, dass ich gerade irgendetwas übersehe. Etwas, das für ihn sehr viel wichtiger ist als dieser Urlaub in Florida. Daniels Reaktion ist einfach zu heftig. Er hat nicht nur Angst, wovor auch immer, Daniel hat Panik und er kämpft dagegen an. Wahrscheinlich schon seit Wochen. Was ist hier los, zum Teufel noch mal? Was sehe ich nicht, was für ihn scheinbar offensichtlich ist?
Moment mal...
Ich runzle die Stirn. Da war doch dieser Brief. Er kam nach den Feiertagen, vor Silvester. Daniel
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