Kleine Einblicke
Tristan damit konfrontiert werden würde, dass eben nicht jeder Mensch der Liebe zwischen zwei Männern offen gegenüberstand. Die Welt war nun mal nicht perfekt und die Menschen in ihr waren es noch viel weniger. Und das wusste Tristan eigentlich auch. Theoretisch zumindest. Praktisch gesehen hatte er bislang einfach das Glück gehabt, von Menschen umgeben zu sein, denen es schlichtweg gleichgültig war, wen er liebte. Genauso wie es eigentlich sein sollte, aber nun mal nicht war. Leider. Nick seufzte innerlich.
„Wie hat sie dich genannt?“, fragte er leise. Tristan verzog das Gesicht und schwieg. „Wie, Tris?“
„Nicky...“
„Raus damit“, bat er und strich Tristan dabei durch die Haare. „Oder soll ich es dir sagen?“, setzte er nach und hätte Tristan am liebsten in die Arme genommen, um ihn für alle Zeit vor Menschen zu verstecken, die Männer wie sie für abartig oder gar Schlimmeres hielten, aber das war ein Wunschtraum und brachte rein gar nichts. „Lass mich raten... Schwanzlutscher? Arschficker? Schwuchtel? So etwas in der Art?“
Tristan nickte schweigend und sah dabei so unglücklich aus, dass Nick gar nicht anders konnte, als ihn in die Arme zu nehmen und zu küssen, bevor er sagte, „Lass sie doch.“ Tristan sah ihn ungläubig an, was Nick fast zum Lachen brachte. Aber nur fast, denn dazu war diese Situation einfach zu ernst. „Du kannst es nicht jedem recht machen, Tris, und schon gar nicht Menschen wie dieser... wie heißt sie eigentlich?“
„Kathryn Matthews“, murrte Tristan und sah wieder zu Boden. „Ich schätze, ich hätte sie damals nicht so abservieren sollen.“
Aha, daher wehte also der Wind. „Sie hat sich ernsthaft für dich interessiert, oder?“ Tristan nickte ein weiteres Mal, was Nick zum zweiten Mal innerlich aufseufzen ließ. „Dann kannst du es ihr noch weniger recht machen. Du hast sie verletzt und jetzt hatte sie die Chance auf eine Retourkutsche.“
„Du glaubst, das war Absicht?“, fragte Tristan verblüfft.
Nick zuckte die Schultern. „Es wäre zumindest möglich, oder etwa nicht? Und seien wir ehrlich. Wie würdest du dich fühlen, wenn ich dich für eine Frau verließe?“ Tristan klappte die Kinnlade runter, was ihn nicken ließ. „Eben. Rache aus verletztem Stolz heraus, bringt pro Jahr allgemein mehr Menschen ins Grab, als es Unfälle wegen Alkohol am Steuer tun... Lass mich ausreden!“, verlangte er, als Tristan widersprechen wollte. „Ich will nicht kleinreden, was sie gesagt hat, oder es damit entschuldigen, aber direkt gefragt, was kümmert dich, was diese Kathryn über dich sagt oder denkt? Das zwischen euch ist ewig her... wie schon gesagt, lass sie doch.“
Tristan schüttelte den Kopf. „Kann ich nicht.“
Das Gegenteil hätte ihn auch gewundert. Nick sagte nichts dazu, sondern drückte Tristan stattdessen liebevoll an sich. „Glaubst du denn, mir wäre so etwas nie passiert? Oder Connor? Daniel? Adrian? Ich glaube, es gibt keinen Schwulen oder überhaupt niemanden, der ein anderes Leben führt, als sogenannte 'Normalos', der irgendwann in seinem Leben deswegen nicht dumm angemacht wird. Im Gegenteil, das passiert doch andauernd. Auf die Art wie es dir heute passiert ist, oder im schlimmsten Fall landen die Menschen im Krankenhaus, weil sie nicht zur Norm gehören und deshalb verprügelt werden.“ Er suchte Tristans Blick. „Du hast soviel Glück mit deiner... unserer Familie, unseren Freunden und allgemein. Warum legst du überhaupt irgendeinen Wert auf das Wort einer Person, die schon längst nicht mehr zu deinem Leben gehört?“
Nick konnte förmlich sehen, wie es hinter Tristans Stirn heftig zu arbeiten begann und genau das hatte er erreichen wollen. Leute wie diese Kathryn, gab es wie Sand am Meer und es wurde Zeit, dass Tristan sich damit auseinandersetzte. Nur so würde er eines Tages mit einem Schulterzucken auf dämliche Kommentare reagieren, denn mehr verdienten Menschen nicht, die sich anmaßen wollten, darüber zu urteilen, wer wen zu lieben hatte oder eben nicht. Nick selbst hatte es nicht anders gelernt und wo bei ihm Adrian dagewesen war, um ihm die Augen zu öffnen, würde er für Tristan da sein und ihm helfen. Auch wenn er es einerseits schade fand, den aus seiner bislang heilen Welt herausreißen zu müssen, was Vorurteile dieser Art betraf, war es andererseits besser, dass Tristan es so lernte, dass nicht jeder nach dem Motto, 'Leben und leben lassen' lebte, als auf die harte Tour.
„Komm, lass uns
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