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Kleine Fische zählen nicht

Kleine Fische zählen nicht

Titel: Kleine Fische zählen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. A. Fair
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und knallte die Tür hinter mir zu. Ich dachte, sie hätte das Tonband vergessen und würde, wenn ich nicht dabei wäre, offen von der Leber weg reden, und wir könnten dann später das Gespräch abhören.«
    »Na und?«
    »Seit dem Telefongespräch ist der Teufel los«, knurrte Bertha. »Sie hat Jarvis Archer angerufen und für neun Uhr bestellt.«
    »Hast du inzwischen festgestellt, worüber sie mit ihrer Freundin gesprochen hat?«
    »Nein, dazu hat sich bisher keine Gelegenheit ergeben. Ich dachte mir, wenn du kommst und mich ablöst, könntest du ein
    bißchen Wirbel machen und dich bei ihr erkundigen, was sich in der Nacht alles getan hat. Das gibt dir einen Vorwand, das Band ablaufen zu lassen, und dann werden wir ja sehen, ob sie Lärm schlägt, wenn du auch das Gespräch mit der Freundin abhörst.«
    »Bist du sicher, daß das Bandgerät eingeschaltet war?«
    »Ganz sicher«, sagte Bertha energisch. »Erstens ist es direkt ans Telefon angeschlossen, und zweitens kann man sehen, ob es läuft oder nicht. Ich hab’ mich selbst davon überzeugt. Und weil’s nicht auf Tonwiedergabe eingestellt war, hoffte ich, sie würde nicht dran denken.«
    »Okay, ich werde mal bei ihr auf den Busch klopfen.«
    Ich stand auf und ging in die Küche. »Bertha erzählt mir eben, daß Sie Mr. Archer herbestellt haben.«
    »Ja.«
    »Wo drückt denn der Schuh, Marilyn?«
    »Ich hab’ genug. Ich kann das nicht länger mitmachen.«
    »Kamen neue Anrufe?«
    »Ja.«
    »Dieselbe Masche wie bei den früheren?«
    »Ja.«
    »Sind sie auf Band?«
    »Ich denke schon. Alle Telefongespräche werden doch automatisch aufgenommen, stimmt’s?«
    »Ich werde es mir mal anhören. Vielleicht ergibt sich was Neues. Hat Bertha die Zeit festgehalten?«
    »Ich glaube doch, ja. Der letzte Anruf kam gegen halb acht.«
    »Waren Sie gerade beim Frühstück?«
    »Nein. Es war vor dem Frühstück. Ich ging danach noch mal für eine Weile ins Bett, weil ich sehr schlecht geschlafen habe.«
    »Na, warten wir’s ab, Marilyn. Der Tag ist lang. Verlieren Sie nicht den Mut; das ist nämlich genau das, worauf unser Mann aus ist. Wollen mal hören, ob sein Schnaufen noch immer so asthmatisch klingt.«
    Ich ging ins Wohnzimmer zurück, schaltete das Bandgerät ein und ließ das Band ablaufen.
    Zuerst war das bewußte schwere Atmen zu hören und dann Berthas Stimme mit einer Schimpfkanonade, die alles, was sie in dieser Hinsicht je geleistet hatte, in den Schatten stellte. Dann kam das Klicken, als der Hörer aufgelegt worden war, und nach einer kurzen Pause die monotone Ansage: »...beim letzten Ton war es zweiundzwanzig Uhr — sieben Minuten — zwanzig Sekunden...«
    Gleich darauf klickte es wieder, und danach blieb das Band stumm.
    »Das war ein Anruf von gestern abend«, sagte ich zu Marilyn. »Wo ist der zweite, und was passierte mit den zwei Anrufen von heute morgen?«
    »Keine Ahnung«, sagte sie mit unschuldiger Miene. »Sind sie nicht drauf?«
    »Was soll das Theater, Marilyn? Sie wissen doch ganz genau, daß sie nicht drauf sind. Sie haben das Band zurücklaufen lassen, den letzten Anruf von gestern nacht abgehört und alles danach gelöscht.«
    Sie sah mich trotzig an. »Ich hab’ das Recht, meine privaten Telefongespräche zu löschen. Nur, weil Sie und Bertha mich beschützen sollen, brauche ich’s mir doch nicht gefallen zu lassen, daß Sie in meinem Privatleben herumschnüffeln.«
    »Also haben Sie es gelöscht?«
    »Ja, natürlich. Es mußte schnell gehen, und da hab’ ich anscheinend den zweiten Anruf von gestern nacht auch erwischt. Das wollte ich nicht. Tut mir leid.«
    »Wann haben Sie das bewerkstelligt?«
    »Während Bertha davonsauste und so ostentativ im Bad verschwand, daß selbst ein Idiot kapieren mußte, was sie im Sinn hatte. Ebensogut hätte sie es laut heraustrompeten können. Sie war neugierig auf mein Gespräch mit meiner Freundin. Deshalb zog sie sich so auffällig ins Bad zurück, schlug die Tür hinter sich zu, ließ das Wasser ein und machte überhaupt einen solchen Lärm, daß ich mir einbilden mußte, ich könnte ungestört am Telefon über private Dinge reden. Natürlich hatte sie die Absicht, das Band später abzuhören — oder vielmehr sollten Sie das tun. Deswegen ließ sie mich vorhin in der Küche allein und tuschelte mit
    Ihnen. Aber ich bin nicht von gestern, wissen Sie. Ich bin kein Kind mehr, und es paßt mir nicht, wie ein Goldfisch hinter Glas zu leben, und bei allem, was ich sage oder tue, beobachtet zu

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