Kleine Fische zählen nicht
Waffenschein?« erkundigte sich Sergeant Sellers.
»Ja. Bei meinem Beruf trage ich zuweilen große Geldsummen bei mir, und die Polizei gab mir anstandslos einen Waffenschein.«
»Kennen Sie eine gewisse Jeanette Latty?« fragte Sellers.
»Latty... Latty...?« Archer schüttelte den Kopf. »Ich habe den Namen schon mal gehört oder gelesen, aber ich weiß nicht mehr, wo und in welchem Zusammenhang.«
»Ich kenne sie«, sagte Mrs. Archer.
»Sie!« rief Sellers überrascht.
»Ja. Und ich glaube, du kennst sie auch, Jarvis. In einer Bar hab’ ich euch mal miteinander bekannt gemacht.«
»Wie lange kennen Sie diese Frau schon?« fragte Sellers.
»Oh, ziemlich lange. Sie ist eine alte Freundin von mir«, fuhr Mrs. Archer fort. »Sie arbeitete damals im gleichen Büro wie ich. Das war vor meiner Heirat. Dann verfielen wir beide auf die Idee, nach Hollywood zu gehen und Filmstars zu werden; wir legten unsere Ersparnisse zusammen und kamen mit dem Bus hierher.«
»Und dann?«
»Eine Zeitlang blieben wir zusammen, aber ich kam schnell dahinter, daß mehr dazu gehört als eine gute Figur, Charme und noch ein paar andere Dinge, um bei den Filmgewaltigen Eindruck zu machen. So fing ich an, mich nach einem Job umzusehen, und dabei lernte ich Jarvis kennen. Wir gingen drei oder vier Monate miteinander und heirateten dann.«
»Aber Sie gingen nicht mit Jeanette Latty und Ihrem Mann zu viert aus?«
»Himmel, nein! Jeanette ist... also, sie ist schrecklich nett, aber sie ist irgendwie anders. Sie ist... Also, ich möchte nichts sagen, was gehässig klingt, aber sie ist nicht der Typ, für den Jarvis sich erwärmen könnte.«
»Wann haben Sie Jeanette Latty zum letztenmal gesehen?«
»Warum? Was hat sie mit alledem zu tun?«
»Sie wohnt auf der Rhoda Avenue«, erklärte Sellers.
»Richtig, das war mir entfallen«, sagte Mrs. Archer. »Jetzt besinne ich mich wieder darauf. Das ist ihre neue Adresse. Ich habe sie seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen, aber sie telefoniert gern und lange. Wir haben ziemlich regelmäßig endlose Telefongespräche geführt. Sie weiß, daß sie sich mit Jarvis nicht verstehen würde, und so hat sie ihre Besuche per Telefon erledigt.«
»Jeanette hat sich keinen Job gesucht?« fragte Sellers.
»Nein. Jeanette hatte Blut geleckt. Das zahme Leben war nicht mehr nach ihrem Geschmack. Sie versuchte sich als Kellnerin in einem Lokal, das von Filmleuten frequentiert wurde, fand aber sehr schnell heraus, daß es zu viele hübsche Kellnerinnen in Hollywood gibt und daß sie auf die Tour nie Erfolg haben würde.«
»Wie ging’s weiter?«
»Unsere Wege trennten sich. Ich heiratete, und Jeanette versuchte sich in allen möglichen Berufen.«
»Auch als Call-Cirl?«
»Nein! Jeanette doch nicht. Aber sie setzte sich diesen Hostess-Service in den Kopf, und ich glaube, sie träumte davon, eine Reiseagentur auf ganz individueller Basis aufzuziehen. Ich bin über ihre Pläne nicht mehr auf dem laufenden.«
»Wann haben Sie sie zum letztenmal gesehen?«
»Himmel, das weiß ich wirklich nicht mehr.«
»Sergeant, ich muß schon sagen«, schaltete sich Archer ein, »Sie kommen ziemlich vom Thema ab. Ihr Interesse für die Vergangenheit und das Privatleben meiner Frau erscheint mir völlig ungerechtfertigt.«
»Zu Ihrer Information: Ihre Freundin Jeanette Latty wurde gestern nacht ermordet«, platzte Sellers heraus.
Mrs. Archer starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an. »Nein! O nein!«
»Ich befasse mich nur mit Fakten. Und diese Fakten sind die Grundlage für mein Interesse. Also, wann haben Sie Jeanette Latty zum letztenmal gesehen?«
Mrs. Archer ballte die Hand und preßte sie gegen die Unterlippe. Falls sie nur Theater spielte, war es eine verdammt gute Darbietung. Sie sagte mit leiser, dünner Stimme: »Ich sah sie... vor zwei oder drei Tagen. Wir trafen uns zufällig und tranken ein Gläschen zusammen.«
»Wo waren Sie gestern nacht?«
»Zu Haus.«
»Können Sie das beweisen?«
»Das hängt davon ab, von welchem Teil der Nacht Sie sprechen. Mein Mann kam erst ziemlich spät nach Haus, und sobald eine Frau verheiratet ist, kann sie sich praktisch nur noch auf ihren Mann als Zeugen dafür berufen, wo und wie sie ihre Abende und Nächte verbringt.«
»Um welche Zeit kamen Sie nach Haus?« fragte Sellers Archer.
»Nach Mitternacht. Ich habe nicht auf die Uhr gesehen.«
»Wo war Ihre Frau?«
»Im Bett. Sie schlief schon.«
»Fragten Sie ihn, wo er gewesen war?«
»Nein«, erwiderte
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