Kleine Fische zählen nicht

er Marilyn Chelan identifiziert, und folglich hat er sie identifiziert. Aber jetzt bin ich mir nicht mehr so ganz sicher, ob er sie wirklich wiedererkannt hat. Ich werde ihn mir zu einem netten kleinen Plausch vorknöpfen und sehen, was dabei herauskommt.«
    »Und was ist mit Marilyn Chelan?«
    »Wir werden sie laufenlassen und dafür sorgen, daß sie möglichst im Hintergrund bleibt. Nicht nötig, die Sache an die große Glocke zu hängen. Ich glaube, sie kann uns noch von Nutzen sein. «
    »Tja, aber was soll ich ihr sagen?«
    »Gar nichts.« Nach einer Weile fügte er hinzu: »Es geht mir über den Horizont, warum Sie noch um sie herumlungern. Ihr Job ist erledigt, und das Honorar haben Sie auch gekriegt. Ich nehm’s Ihnen nicht übel, wenn Sie nebenher noch etwas herausschlagen möchten, aber diesmal kann ich Ihnen nur davon abraten. Sie begeben sich auf Glatteis, glauben Sie mir.«
    »Ich wollte nichts herausschlagen«, sagte ich. »Wir hatten einen Auftrag bekommen, und ich versuchte ihn zu Ende zu führen.«
    »Sie wurden an die Luft gesetzt.«
    »Stimmt, aber der Klient hatte für den Tag bezahlt.«
    »Vergessen Sie’s, der Tag ist rum. Lassen Sie die Finger von der Sache, und kommen Sie mir nicht in die Quere.«
    »Schon gut«, sagte ich, »das ist Ihr Bier. Aber ich finde, es schäumt verdammt stark.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Daß ich von Ihrer Theorie nicht restlos überzeugt bin.«
    »Ich will Sie ja gar nicht überzeugen. Sie sollen sich aus der Sache raushalten und mir nicht ewig dazwischenfunken, das ist alles.«
    Der Fahrer hielt vor meinem Wagen. »Hier war es wohl?« fragte er.
    »In Ordnung«, sagte Sellers. »Steigen Sie aus, halbe Portion, verduften Sie und halten Sie die Klappe.«

14

    Ich wartete, bis das Polizeiauto um die nächste Ecke verschwunden war, startete dann und fuhr nach Santa Ana.
    Das Haus der Gilletts war ein regelrechter Herrensitz. Mehrere Wagen standen davor.
    Ich klingelte, und ein dienstbarer Geist kam an die Tür.
    »Tut mir leid, daß ich störe«, sagte ich, »aber ich muß Mrs. Gillett in einer sehr dringenden Angelegenheit sprechen.«
    »Wer sind Sie?« fragte das Mädchen.
    »Mein Name würde Mrs. Gillett nichts sagen. Aber falls Sie ihr ausrichten wollen, daß mein Anliegen mit dem Urlaub zusammenhängt, den sie und ihr Gatte angetreten hatten, dürfte sie im Bilde sein. «
    Das Mädchen sagte: »Einen Moment«, schloß die Tür und ließ mich draußen stehen.
    Drei Minuten später öffnete sich die Tür wieder, und ein kräftiger Mann mit stählernem Blick und buschigen Augenbrauen erschien auf der Bildfläche.
    »Also, worum handelt es sich?« fragte er.
    »Darf ich fragen, wer Sie sind?«
    »Ich bin ein Freund der Familie. Und wer sind Sie?«
    »Ich habe eine Nachricht für Mrs. Gillett.«
    »Sie sollten eigentlich wissen, daß sie zur Zeit niemanden empfangen kann?« sagte der Mann.
    »Es läge aber in ihrem Interesse, wenn sie bei mir eine Ausnahme machen würde. Sagen Sie ihr nur, daß mein Anliegen mit dem Urlaub zusammenhängt, den sie und ihr Mann machen wollten, und daß ich sie vor unnötigen Ausgaben, einem Skandal und Seelenqualen bewahren möchte.«
    »Sagen Sie mir, wie Sie heißen.«
    »Ich habe nichts dagegen, vorausgesetzt, ich kann mich auf Ihre Diskretion verlassen.«
    »Das kann ich Ihnen nicht versprechen.«
    »Sie sind ein Freund der Familie?« fragte ich.
    »Ja.«
    »Okay.« Ich reichte ihm eine von meinen Karten. »Mein Name ist Donald Lam, ich bin Privatdetektiv und bearbeite diese Sache aus eigenem Antrieb und auf eigene Verantwortung. Ich komme in den besten Absichten. Falls nicht innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden etwas unternommen wird, dürfte es zu spät sein.«
    »Zu spät wofür?«
    »Zu spät, um der Wirkung des Gifts entgegenzuarbeiten.«
    »Welchem Gift?«
    »Dem Gift, das sie schlucken muß.«
    »Sie reden im Kreis herum«, sagte er.
    »Mag sein. Aber der Kreis hat eine charakteristische Eigenart — alle seine Teilabschnitte sind gleich weit vom Mittelpunkt entfernt.«
    »Kommen Sie herein.« Er trat beiseite.
    Im Haus war es sehr still. Er führte mich in ein Wohnzimmer und wies auf einen Sessel. »Nehmen Sie Platz, und gedulden Sie sich einen Moment.«
    Er verschwand und war in etwa zwei Minuten zurück. »Kommen Sie bitte mit.« Wir gingen die Treppe hinauf und landeten in einem abgeschlossenen Apartment. Der Salon war mit großen Sesseln, einem Schreibtisch, einem Telefon ausgestattet, und eine Tür