Kleine Fische zählen nicht
Mrs. Archer, »danach frage ich ihn nie. Ich verlange keineswegs von ihm, daß er mir über seine Zeit oder seine Bekanntschaften Rechenschaft ablegt.«
»Er ist häufig unterwegs?«
»Natürlich. Er muß mit Kunden ausgehen, und ich schließe nicht aus, Sergeant, daß es bei diesen Einladungen auch mal recht ausgelassen zugeht. Aber ich frage nicht danach.«
»Soll das heißen, daß es Ihnen egal ist, was Ihr Mann treibt?«
»Nein. Meiner Meinung nach ist eine Ehe das, was man aus ihr macht. Man ist als Frau immer im Wettstreit mit anderen Frauen in dieser Welt. Ist der Zeitpunkt erreicht, da ich meinem Mann nicht mehr geben kann als irgendeine andere Frau, muß ich damit rechnen, ihn zu verlieren. Das heißt aber nicht, daß er sich nicht umschauen und Vergleiche anstellen darf, wenn irgendein hübsches Ding in seiner Nähe ist und ihm schöne Augen macht. Ich frage ihn nie danach und möchte auch nicht, daß Sie ihn in meiner Gegenwart danach fragen. Falls Sie also noch weitere Auskünfte von ihm über die gestrige Nacht benötigen, verlasse ich das Zimmer — vorausgesetzt natürlich, daß Sie mit meinem Verhör fertig sind.«
Sellers wurde nachdenklich. Er verdaute offenbar das soeben Gehörte. »Ich schätze, ich bin mit Ihnen beiden fertig. Tut mir leid, daß ich Ihnen zu dieser Stunde so ins Haus schneien mußte, aber es handelt sich schließlich um einen Mord. Und die Tatsache, daß Ihr Gatte eine Privatdetektei damit beauftragte, herauszufinden, wer seine Sekretärin bedrohte...«
»... hat mit dem Fall, den Sie untersuchen, überhaupt nichts zu tun«, warf Mr. Archer ein.
»Wahrscheinlich nicht«, sagte Sellers.
»Wo ist Marilyn jetzt?« fragte Archer.
»Das kann ich Ihnen im Moment nicht sagen. Wir haben sie am frühen Abend verhört und werden sie später vielleicht noch einmal verhören.«
»Nun, ich würde gern mit ihr sprechen. Ich möchte nicht, daß die Affäre, soweit sie mich betrifft, breitgetreten wird. Ich hoffe, Sergeant, Sie werden dafür sorgen, daß mein Name nicht in irgendwelchen Presseberichten erscheint und daß die Firma, bei der ich angestellt bin, völlig aus dem Spiel bleibt. Das würde üble Folgen haben, sehr üble Folgen sogar, Sergeant... Sie werden finden, daß sich eine Berücksichtigung meiner diesbezüglichen Wünsche bezahlt macht. Ich habe genügend einflußreiche Freunde.«
»Im Moment trage ich nur Informationen zusammen«, sagte Sellers. »Sie werden bemerkt haben, daß ich keine Reporter mitgebracht habe und daß ich zu Ihnen kam, anstatt Sie zu mir ins Präsidium zu bitten, wo fast immer irgendwelche Zeitungsleute herumlungern. Und jetzt möchte ich Ihr Telefon benutzen, und dann ziehen wir ab.«
Mrs. Archer sagte: »Hier entlang, bitte«, und führte ihn zu einem Telefonapparat in der Diele.
Sellers wählte eine Nummer. »Hallo, hier ist Frank Sellers. Verbinden Sie mich bitte mit der Dechiffrierabteilung.«
Einen Moment später sagte er: »Sellers. Was haben Sie herausgefunden?« Eine kurze Pause trat ein, in der Sellers gespannt lauschte. »Lesen Sie mir das noch mal vor, ja?« Sellers fischte ein Notizbuch aus der Tasche und schrieb eifrig mit.
Indessen herrschte im Wohnzimmer ein unbehagliches Schweigen. Schließlich sagte Mr. Archer: »Ich habe die Situation vielleicht falsch beurteilt, Lam. Ich hoffe, ich kann mich auf Ihre Diskretion verlassen.«
»Wir versuchen diskret zu sein«, erklärte ich, »aber in einem Fall dieser Art können wir die Polizei nicht mit Lügen abspeisen oder ihr Informationen vorenthalten.«
»Wer die arme Jeanette auch umgebracht hat«, sagte Mrs. Archer, »ich hoffe nur, daß man ihn erwischt und daß er es büßen muß.« Sie wandte sich ihrem Mann zu. »Wo ist Marilyn, Jarvis?«
»Keine Ahnung«, antwortete er.
»Du brauchst mir nichts zu verheimlichen, Jarvis. Das ist dir doch klar, nicht wahr?«
»Ich weiß, Liebling, aber ich habe wirklich keine Ahnung, wo sie ist. Sie hat sich nicht mit mir in Verbindung gesetzt. Ich hoffe aber, daß sie das in Kürze nachholt, weil ich unbedingt einige wichtige Punkte klären muß. Zur Zeit habe ich sie krankheitshalber beurlaubt, aber das kann schließlich nicht endlos so weitergehen.«
Sellers beendete sein Telefongespräch und kam zurück. »Also, vielen Dank. Tut mir leid, daß wir Sie belästigt haben, aber ich wollte klarsehen. Kommen Sie, Lam, wir gehen.«
»Können wir sonst noch etwas für Sie tun?« fragte Archer.
»Das kommt darauf an.« Sellers faßte ihn
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