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Kleine freie Männer

Kleine freie Männer

Titel: Kleine freie Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Königin. »Du hast alle enttäuscht ...«

Die Königin schritt durchs Gras und näherte sich Tiffany. Wo ihre Füße den Boden berührten, glänzte für einen Moment Raureif. Der kleine Teil von Tiffany, der noch denken konnte, dachte: Das Gras wird morgen früh verwelkt sein. Sie tötet mein Gras.
    »Das ganze Leben ist nur ein Traum, wenn man darüber nachdenkt«, sagte die Königin und sprach noch immer mit aufreizender Ruhe. Sie setzte sich auf die umgefallenen Steine. »Ihr Menschen seid solche Träumer. Ihr träumt, dass ihr klug seid. Ihr träumt, dass ihr wichtig seid. Ihr träumt, das ihr etwas Besonderes seid. Ihr seid fast noch besser als Trome. Auf jeden Fall habt ihr mehr Phantasie. Ich muss euch danken.«
    »Wofür?«, fragte Tiffany und sah auf ihre Stiefel. Entsetzen umklammerte ihren Leib mit rotglühenden Drähten. Es gab keinen Ort, zu dem sie fliehen konnte.
    »Ich habe nie begriffen, wie wundervoll eure Welt ist«, sagte die Königin. »Ich meine, die Trome... Eigentlich sind sie kaum mehr als eine Art wandelnder Schwamm. Ihre Welt ist uralt und fast tot. Sie sind nicht mehr kreativ. Mit ein wenig Hilfe von mir könntet ihr viel besser sein. Denn ihr träumt die ganze Zeit. Insbesondere du träumst die ganze Zeit. Dein Bild von der Welt ist eine Landschaft mit dir als Mittelpunkt, nicht wahr? Wundervoll. Sieh dich an, in deinem hässlichen Kleid und den großen Stiefeln. Du hast geträumt, du könntest mit einer Bratpfanne durch meine Welt laufen. Du hattest den Traum vom tapferen Mädchen, das seinen kleinen Bruder rettet. Du hieltest dich für die Heldin einer Geschichte. Und dann hast du ihn zurückgelassen. Weißt du, von Milliarden Tonnen Wasser getroffen zu werden... Ich glaube, es fühlt sich so an, als fiele einem ein Berg aus Eisen auf den Kopf. Was meinst du?«
    Tiffany konnte nicht mehr denken. Heißer, rosaroter Nebel füllte ihren Kopf. Es hatte nicht geklappt.
    Ihre Dritten Gedanken steckten irgendwo in dem Nebel und versuchten, sich Gehör zu verschaffen.
    »Ich habe Roland herausgebracht«, murmelte sie und starrte noch immer auf ihre Stiefel.
    »Aber er ist nicht dein Bruder«, erwiderte die Königin. »Er ist, seien wir ganz ehrlich, ein ziemlich dummer Junge mit einem großen roten Gesicht und einem Gehirn aus Sülze, wie sein Vater. Du hast deinen kleinen Bruder bei einem Haufen kleiner Diebe zurückgelassen und einen verzogenen kleinen Narren gerettet.«
    Es gab nicht genug Zeit!, heulten die Dritten Gedanken. Es wäre dir nicht gelungen, Willwoll zu erreichen und mit ihm zum Leuchtturm zurückzukehren! Selbst so hättest du es fast nicht geschafft! Du hast Roland herausgeholt! Du hast die richtige, logische Entscheidung getroffen und brauchst dich deshalb nicht schuldig zu fühlen! Was ist besser: zu versuchen, deinen Bruder zu retten, und tapfer, mutig, dumm und tot zu sein, oder den Jungen zu retten und tapfer, mutig, vernünftig und lebendig zu sein?
    Aber etwas beharrte darauf, dass es... richtiger gewesen wäre, dumm und tot zu sein.
    Etwas flüsterte immer wieder: Willst du deiner Mutter sagen, du hättest gesehen, dass nicht genug Zeit blieb, deinen Bruder zu retten, und deshalb jemand anderen gerettet? Glaubst du, dass sie sich darüber freuen wird, dass du so vernünftig gewesen bist? Recht zu haben und vernünftig zu sein genügt nicht immer.
    Es ist die Königin!, riefen die Dritten Gedanken. Du hörst ihre Stimme! Es ist wie Hypnose! Hör ihr nicht mehr zu!
    »Ich nehme an, es ist nicht deine Schuld, dass du so kalt und herzlos bist«, sagte die Königin. »Wahrscheinlich liegt es an deinen Eltern. Vermutlich haben sie dir nicht genug Zeit gewidmet. Und Willwoll zu bekommen, das war grausam dir gegenüber, sie hätten mehr Rücksicht nehmen sollen. Und sie ließen dich zu viele Worte lesen. Für ein junges Gehirn kann es nicht gut sein, Wörter wie >Paradigma< und >eschatologisch< zu kennen. Das führt zu gestörtem Verhalten, so dass man den eigenen Bruder als Köder für ein Ungeheuer benutzt.« Die Königin seufzte. »Leider passiert so was immer wieder. Ich glaube, du solltest stolz darauf sein, dass du nicht schlimmer bist als die extrem Introvertierten und Milieugeschädigten.«
    Sie ging um Tiffany herum.
    »Wie traurig«, fuhr sie fort. »Du träumst, dass du stark, vernünftig und logisch bist... die Art von Person, die immer einen Bindfaden dabei hat. Aber das ist nur deine
    Entschuldigung dafür, nicht richtig menschlich zu sein. Du bist nur ein

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