Kleine freie Männer
Klipper mit gebrochenen Masten, hängender Takelage und geborstenen Rümpfen lagen zwischen den Pfützen, dort, wo die Bucht gewesen war.
Den Wir-sind-die-Größten entfuhr ein kollektiver glücklicher Seufzer.
»Versunkene Schätze!«
»Ja! Gold!«
»Barren!«
»Münzen!«
»Wie kommt ihr darauf, dass sich Schätze an Bord der Schiffe befinden?«, fragte Tiffany.
Die Wir-sind-die-Größten wirkten so erstaunt, als hätte sie behauptet, Felsen könnten fliegen.
»Es müssen Schätze an Bord sein«, sagte der Doofe Wullie. »Warum hätte man die Schiffe sonst sinken lassen?«
»Stimmt«, bestätigte Rob Irgendwer. »An Bord versunkener Schiffe befindet sich Gold, sonst wär's die Sache nich' wert, gegen all die Haie und Kraken un' so zu kämpfen. Schätze vom Meeresgrund zu holen, es gibt kein schöneres Stehlen!«
Und was Tiffany jetzt spürte, war richtige, ehrliche Panik.
»Das ist ein Leuchtturm!«, sagte sie und zeigte darauf. »Seht ihr ihn? Ein Leuchtturm soll verhindern, dass Schiffe auf Felsen stranden! Versteht ihr? Dies ist eine Falle, extra für euch! Die Königin ist noch immer in der Nähe!«
»Vielleicht können wir hinuntergehen und nur in ein kleines Schiff sehen?«, fragte Rob Irgendwer unterwürfig.
»Nein! Weil...« Tiffany sah auf. Ein Schimmern hatte ihre Aufmerksamkeit geweckt. »Weil... das... Meer... zurückkehrt«, sagte sie.
Was wie eine große Wolke am Horizont aussah, wurde größer und glitzerte. Tiffany hörte bereits das Donnern.
Sie lief über den Strand und schob die Hände unter Rolands Achseln, um ihn zum Leuchtturm zu ziehen. Als sie zurücksah, standen die Kobolde noch immer da und starrten auf die gewaltige Welle.
Und sie sah Willwoll, der die Welle fröhlich beobachtete und sich ein wenig bückte, damit er, wenn sie auf den Zehenspitzen standen, die Hände der Größten rechts und links von ihm halten konnte.
Dieses Bild brannte sich in Tiffanys Augen. Der kleine Junge und die Kobolde, die mit dem Rücken zu ihr dastanden und voller Interesse die donnernde, glitzernde, den Himmel füllende Wand aus Wasser ansahen.
»Kommt!«, rief Tiffany. »Ich habe mich geirrt, das sind nicht die Gezeiten, die Königin steckt dahinter...«
Die zischenden, brodelnden Fluten hoben versunkene Schiffe an und drehten sie.
»Kommt!«
Tiffany schaffte es, sich Roland über die Schulter zu legen. Sie wankte über den Kies und erreichte den Leuchtturm, als das Wasser hinter ihr herunterkrachte...
Für einen Moment war die Welt voll von weißem Licht...
... und dann knirschte Schnee unter Tiffanys Stiefeln.
Es war das stille, kalte Land der Königin. Niemand war da und nichts war zu sehen außer Schnee und in der Ferne der Wald. Schwarze Wolken schwebten darüber.
Vor Tiffany, gerade so zu erkennen, entstand ein Bild. Darauf waren Gras und einige Steine im Mondschein zu sehen.
Es war die andere Seite der Tür zwischen den Welten.
Tiffany drehte sich verzweifelt.
»Bitte!«, rief sie, ohne sich an eine bestimmte Person zu wenden. »Rob? William? Wullie? Willwoll?«
Aus dem Wald kam das Bellen der Todeshunde.
»Ich muss fort«, murmelte Tiffany. »Weg von hier...«
Sie packt Roland am Kragen und zog ihn zur Tür. Wenigstens rutschte er im Schnee besser.
Nichts und niemand versuchte, sie aufzuhalten. Etwas von dem Schnee stob durch die Tür, aber die Luft war warm und erfüllt von nächtlichen Insektengeräuschen. Unter einem echten Mond und einem echten Himmel zog Tiffany den Jungen zu einem gefallenen Stein und lehnte ihn mit dem Rücken dagegen. Völlig erschöpft nahm sie neben ihm Platz und versuchte, wieder zu Atem zu kommen.
Ihr Kleid war nass und roch nach Meer.
Sie hörte ihre eigenen Gedanken, wie aus weiter Ferne:
Vielleicht leben sie noch. Immerhin war es ein Traum. Bestimmt gibt es einen Weg zurück. Ich muss ihn nur finden. Ich muss zurück.
Die Hunde waren ziemlich laut...
Tiffany stand wieder auf, obwohl sie eigentlich nur schlafen wollte.
Die drei Steine der Tür bildeten einen schwarzen Schemen vor den Sternen.
Und während sie hinsah, fielen die Steine. Der auf der linken Seite kippte langsam, und die anderen beiden landeten auf ihm.
Tiffany lief zu ihnen und zerrte an den tonnenschweren Felsen. Sie tastete in ihrer Nähe durch die Luft, in der Hoffnung, dass der Zugang noch existierte. Sie blinzelte und schielte, versuchte immer wieder, in die andere Welt zu sehen.
Allein stand sie unter den Sternen, den Tränen nahe.
»Wie schade«, sagte die
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