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Kleine freie Männer

Kleine freie Männer

Titel: Kleine freie Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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glitt davon.
    Ich bin unter Wasser, dachte Tiffany.
    Ich erinnere mich...
    Dies ist der Millionen-Jahre-Regen unter dem Meer, dies ist das neue Land, das unter einem Ozean geboren wird. Es ist kein Traum. Es ist... eine Erinnerung. Das Land unter der Welle. Millionen und Abermillionen von kleinen Schalen ...
    Dieses Land lebte.
    Die ganze Zeit über nahm sie den warmen, beruhigenden Geruch der Schäferhütte wahr und hatte das Gefühl, von unsichtbaren Händen gehalten zu werden.
    Das Weiße unter Tiffany wuchs empor und über sie hinweg, aber es war nicht unangenehm. Sie fühlte sich wie von Dunst umgeben.
    Jetzt bin ich in der Kreide, wie ein Feuerstein...
    Sie wusste nicht genau, wie viel Zeit sie im warmen, tiefen Wasser verbrachte, oder ob überhaupt Zeit verstrich, oder ob die Jahrmillionen wie eine Sekunde vergingen. Wieder entstand Bewegung, und Tiffany glaubte aufzusteigen.
    Weitere Erinnerungen strömten in ihr Selbst.
    Es gab immer jemanden, der an den Grenzen wacht. Sie haben es nicht selbst entschieden. Es wurde für sie entschieden. Jemand muss aufpassen. Manchmal müssen sie kämpfen. Jemand muss für das sprechen, was keine Stimme hat...
    Tiffany öffnete die Augen. Sie lag noch immer im Schlamm, und die Königin lachte über sie, und der Sturm heulte.
    Aber sie fühlte sich warm. Mehr noch: Sie fühlte Hitze, die rote Hitze des Zorns. Zorn wegen des welken Grases,
    Zorn auf ihre eigene Dummheit, Zorn auf dieses wunderschöne Geschöpf, dessen einziges Talent Kontrolle war.
    Diese... Kreatur schickte sich an, ihre Welt zu übernehmen.
    Alle Hexen sind egoistisch, hatte die Königin gesagt. Aber Tiffanys Dritte Gedanken sagten: Dann verwandle den Egoismus in eine Waffe! Mach alle Dinge zu deinen! Mache andere Leben und Träume und Hoffnungen zu deinen! Schütze sie! Rette sie! Bring sie zur Schafkoppel! Geh für sie durch den Sturm! Halte den Wolf von ihnen fern! Meine Träume! Mein Bruder! Meine Familie! Mein Land! Meine Welt! Wag es nicht, diese Dinge zu nehmen, denn sie gehören mir!
    Ich habe eine Pflicht!
    Der Zorn schwappte über. Tiffany stand auf, ballte die Fäuste und schrie ins Unwetter, legte ihre ganze Wut in den Schrei.
    Blitze schlugen rechts und links von ihr in den Boden.
    Sie blieben dort und knisterten, und zwei Hunde bildeten sich.
    Dampf stieg von ihrem Fell auf, und blaues Licht flackerte aus ihren Ohren, als sie sich schüttelten. Sie richteten einen aufmerksamen Blick auf Tiffany.
    Die Königin schnappte nach Luft und verschwand.
    »Hierher, Blitz!«, rief Tiffany. »Und los, Donner!« Und sie erinnerte sich, wie sie über die Wiesen gelaufen, gefallen und wieder aufgesprungen war und dabei die falschen Wörter gerufen hatte, während die beiden Hunde alles richtig machten...
    Zwei Schemen, schwarz und weiß, jagten übers Gras und hinauf zu den Wolken.
    Sie trieben das Unwetter.
    Wolken gerieten in Panik und stoben auseinander, aber immer wieder raste ein Komet über den Himmel und sorgte dafür, dass die Wolken umkehrten. Monströse Gestalten wanden sich am brodelnden Firmament und kreischten, aber Donner und Blitz hatten viele Herden getrieben. Gelegentlich schnappten wie Blitze flackernde Zähne zu, gefolgt von Geheul. Tiffany sah nach oben, und Regen strömte ihr übers Gesicht, als sie Befehle rief, die kein Hund hören konnte.
    Drängelnd, polternd und schreiend zog das Unwetter über die Hügel in Richtung Berge, wo es tiefe Schluchten gab, in denen es eingepfercht werden konnte.
    Außer Atem und triumphierend sah ihm Tiffany nach, bis die beiden Hunde zurückkehrten und wieder das Gras erreichten. Und dann erinnerte sie sich noch an etwas anderes: Es spielte keine Rolle, welche Befehle sie diesen Hunden gab. Es waren nicht ihre Hunde. Sie arbeiteten.
    Von einem kleinen Mädchen nahmen Donner und Blitz keine Anweisungen entgegen.
    Und die Hunde sahen sie gar nicht an.
    Ihr Blicke galten jemandem, der hinter Tiffany stand.
    Sie hätte sich umgedreht, wenn ihr jemand gesagt hätte, dass ein schreckliches Ungeheuer hinter ihr stand. Sie hätte sich umgedreht, wenn man ihr gesagt hätte, dass tausend Zähne in seinem Rachen steckten. Aber jetzt wollte sie sich nicht umdrehen. Sie brauchte ihre ganze Kraft, um sich dazu zu zwingen.
    Sie fürchtete sich nicht vor dem, was sie sehen würde. Das bis in ihre Knochen reichende Entsetzen galt vielmehr dem, was sie vielleicht nicht sehen würde. Sie schloss die Augen, während die feigen Stiefel sie langsam drehten, und dann, nach

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