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Kleine Portionen

Kleine Portionen

Titel: Kleine Portionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moitzi
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sah reif und saftig aus, der Comté roch fabelhaft, der Ziegenkäse war hart und hatte eine perfekte, grün verschimmelte Kruste.
    »Bedien dich«, forderte mich Marie-Joëlle auf. »Du hast das Huhn ja kaum angerührt …«
    »Ich weiß, ich bin lästig«, antwortete ich höflich, »aber glaubst du, ich könnte ein klitzekleines Stück Baguette haben?« Ich hatte bemerkt, dass sie kein Brot gebracht hatte. Käse muss von einem Glas Rotwein und frisch gebackenem Baguette begleitet werden. Das steht sogar im französischen Gesetzbuch.
    Marie-Joëlle wurde weiß, dann stotterte sie: »Das ist mir jetzt furchtbar peinlich, aber ich glaube, wir haben vergessen, Brot zu kaufen.«
    »Und du bist wirklich Französin?« Ich sagte das nur halb im Scherz.
    »Ich kann dir ein paar Cracker bringen, wenn du willst«, bot Marie-Joëlles Mann schwach an.
    »Das ist hoffentlich nur ein Scherz!«, antwortete ich entsetzt. Der saftige Camembert auf einem lausigen … Cracker. Das durfte nie und nimmer geschehen.
    Als wir gingen, war Vanessa beschämt. Ich versuchte, sie aufzuheitern: »Wenn du die beiden nie wieder siehst, ist das doch auch egal. Umso besser. Mal ehrlich – Käse ohne Baguette!«

Tintenfisch
     
    Da gab’s diesen Typen in unserem Hotel, Sakis. In der Früh, während ich auf der Hotelterrasse saß, meinen Kaffee schlürfte und meine erste Zigarette rauchte, sah ich Sakis oft auf seinem kleinen Boot davonfahren. Er legte – Tucker-tucker-tucker – vom Betonsteg ab und hinterließ einen Hauch von Benzingeruch. Wenn er die richtige Stelle erreicht hatte, stellte er den Motor ab und begann in aller Ruhe Tintenfische zu fangen.
    Um die Landschaft zu vervollständigen, muss man sich ein flaches, ruhiges, blaues Meer vorstellen. Den Horizont füllten die beeindruckenden Berge des griechischen Festlandes aus, bräunlich-grau mit harten Schnitten und scharf gehackten Schluchten. Irgendwo in diesem Labyrinth hochragender Gipfel befand sich der Parnassos, Heimstätte der Musen, häufig gekrönt von einer flauschigen, weißen Wolke.
    Die Vormittage rochen immer nach salzig-trockener Frische, gesprengten Rasen, scharlachroten Rosen, und das Versprechen eines neuen, heißen Tages saß geduldig in der Luft. Die Pappeln am Ufer schwankten demütig in der frühen Brise, die Palmen um mich herum rauschten mit ihren harten Blättern. Die Kellner bereiteten die kleine Poolbar vor, riefen einander freundliche Scherze zu, lächelten, wenn ich näher kam. »Yassou«, sagte ich. »Ti kanis simera?«
    »Kala, kala, kai esi?«, antworteten sie. »Unterwegs zum Strand, was?«
    Sakis kehrte mit einem Boot voller Tintenfische zurück. Er hatte sein T-Shirt ausgezogen, seine schwarz gebrannten Schultern glitzerten in der Morgensonne. Am Strand schlug er die Tintenfische gegen einen Felsen, um ihr Fleisch zarter zu machen. Danach schnitt er sie in Streifen, welche er auf Metallhaken in die Sonne hing. Um elf bereitete er den Grill vor. Ein Geruch nach Holzkohle und verbrannten Säften waberte durch die Hotelanlage.
    Der Tintenfisch wurde ganz einfach gegrillt, ohne Salz, ohne Pfeffer, ohne Gewürze. Er wurde mit frisch gepresstem Limettensaft und viel Olivenöl beträufelt. Frisch gegrillter Tintenfisch – bloß ein anderes, lukullisches Wort fürs Paradies.

Mittagessen
     
    Das Restaurant unserer Freunde stand im Dorfzentrum, direkt am Hauptplatz mit seinem willkürlich plätschernden Brunnen und der orthodoxen Kirche. Hinter dem Brunnen befand sich der periptero, wo wir unsere Zigaretten kauften. Die Besitzerin war eine gesprächige Frau Mitte vierzig mit grauen Locken und einer schrillen Stimme. Sie rief uns immer zur Begrüßung zu: »Yassas ta pedia, kani zesti simera, eh?«
    Jeder sagte »ta pedia« zu uns – Kinder. Schon deswegen fühlte ich mich immer in Sicherheit, unbeschwert und verjüngt.
    Die Taverne bot eine schattige Terrasse unter einem Dach aus Jasmin und Weinreben. Wann immer es möglich war, wählte ich Atherina, frittierten Fisch, den ich ganz aß, mit Kopf und allem. Oder ich bestellte Feta saganaki, gegrillten Schafskäse, ein bisschen schwammig, ein bisschen sauer, mit Biss. Oder den Salat, den unser Freund aus Huhn und einer speziellen Mayonnaise zubereitete. Ich aß ihn mit dem frischen, ofenwarmen Brot, das unsere Freunde gerade in der örtlichen Bäckerei gekauft hatten.
    Und natürlich begleitete ein griechischer Salat immer unsere Mahlzeiten. Grob geschnittene Tomaten, Gurken, Zwiebel, Paprika, fett-saftige

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